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PAARUNGEN
Kunst- und kulturkritische Beiträge
11. März 2010
Kulturverfall in der Bremer Internet-Kommunikation
von Katharina Loewe
Es rauscht im Bremer Äther. Eine Unzahl von E-Mails, elektronischen Kommentaren und Anzeigen fliegen unkontrolliert und chaotisch durch die Gegend. Die Absender und Absenderinnen der Botschaften können ungezügelt mit allem um sich werfen, was die Tastaturen so hergeben. Als Empfängerinnen und Empfänger der Botschaften anderer widerum sind sie deren Wurfgeschossen ebenfalls wehrlos ausgesetzt. Die Akteure sind nicht zu identifizieren, da sie sich leicht hinter Pseudonymen, Niknames und künstlichen Adressen verstecken können. Sie nennen sich Hans-Hermann, Zorro, der Heinz, die schlaue Erika, Wuppi usw.usw. In der Regel vernichten sich die Akteure nach ein, zwei Aktionen dann wieder selbst, indem sie sich selbst weglöschen und sich im gleichen Moment mit neuen Etiketten neu erfinden. Andere kultivieren ihre falsche Identität und terrorisieren damit nicht nur das Bremer Netz, sondern das weltweite. Eine dialogische Kommunikation, ein Austausch von Für und Wider, ein Hin und Her von Meinungen oder Argumenten findet nicht statt. Ein Aufbau kommunikativer Beziehung, Begegnung findet schon gar nicht statt, ganz zu schweigen von Sympathie oder gar Freundschaft. Stattdessen: beleidigen, niedermachen, lächerlich machen, verachten, entwürdigen. Könnte man über den Äther Messer werfen oder hinter Hecken versteckt schießen, würde es nicht nur psychische Opfer geben, sondern auch körperliche. Es ist unerträglich. Leider ist wohl kein Kraut dagegen gewachsen bis auf die Möglichkeit, sie einfach weg zu drücken, sie zu löschen oder sie kurzfristig mit Auftrittsverbot zu belegen, das aber meistens nicht länger hält als 10 Minuten - denn dann sind sie mit neuen Namen und Adressen wieder auf "Sendung" und treiben ihr Unwesen wie gehabt weiter. Bestes Beispiel dafür ist das Forum bremen.online. Hier toben sich regelmäßig Leute aus, die nicht verstanden haben, dass auch die Internet-Kommunikation den Regeln des fairen und anständigen Umgangs miteinander unterliegen. Ich plädiere für eine weitere Verschärfung der Zugangsmöglichkeiten zu solchen Foren wie bei bremen.online, zumal diese öffentlich und staatlich gewollt für alle aus Steuermitteln, also aus Mitteln, die wir alle aufbringen, gefördert werden. Bei den privaten kann man sich ja locker ausklinken, oder gar nicht erst reingehen, wenn man erkennt, dass es dort auch unkontrolliert und menschenfeindlich zugeht.
Und was ist mit diesen E-Mail-Fluten? Gut wir haben Spam und Junk, wo ja bereits einiges landet. Aber was machen wir gegen diese Anjas, Patricias und Maltes, die dir schreiben, sich bei dir bewerben, die sich anmelden möchten, die dir einmal ihre Meinung sagen wollen, die deine Einträge kommentieren möchten, die dir sagen wollen, wie blöd du bist, die dir vielleicht auch etwas Sympathisches mitteilen möchten - und die es einfach nicht hinbekommen, ihren wirklichen Namen zu benennen, ihre Adresse und Telefonnummer mitzuteilen, ihr Studienfach oder ihren Beruf zu benennen, ihren Familienstand einfach zu benennen und sonstige Mitteilungen von sich zu geben. Es ist eine Katastrophe. Man hat nur noch mit gesichtslosen und eigentlich leblosen E-Mail-Wesen zu tun, die manchmal sogar auch noch den Anspruch formulieren, dass man ihnen antwortet.
Da bleibe ich ganz cool und gehe auf solche E-Mails nicht ein. Da gibt es nur eins: E-Mail-Müll-Eimer.
12. März 2010
"Scheiße gebaut" - Lars im Nordwest-Radio
von Katharina Loewe
Gesprächszeit von 9 - 10 morgens im Nordwest-Radio, Frequenz 88,3.
Einmal gesendet, dann mindestens 7 - 13 Wiederholungen im Laufe des Jahres. In der Regel werden wichtige und berühmte Leute vors Mikrofon geholt: zuletzt Dr. Drewermann, Dr. Glaeske, Dr. Hüther, Dr. Sommer, Dr. Braungart, Dr. Loske, Dr.Martin Walser als alterspotenter Literat, Dr. Senta Berger als allgegenwärtige Fernsehtante (Nachfolgerin von Inge Meysel) und viele andere Prominente mehr. Und nun heute Lars von der Hoppenbank. Inzwischen 40 Jahre alt, 14 Jahre Knasterfahrung und mehrere Jahre Heime, Erziehungshilfen, Straffälligenhilfen, Jugendgerichtshilfen, Bewährungshilfen. Das war doch einmal echt erfrischend, wie unprätentiös und unkünstlich hier jemand in dieser Sendereihe zu Wort kam. Einfach aus dem Leben erzählt, so wie es war und wie es ist. Grandios auch die Frageweise des Moderators. Nicht das verkrampfte Bemühen um ausdifferenzierte Artikulationen, wie es sonst in dieser Reihe üblich ist, sondern frei von der Leber erzählt und berichtet. Dabei auch keine Scheu davor, das bei ehemaligen und aktiven Straffälligen so beliebte "Scheiße gebaut" mehrfach zu verwenden. "Scheiße gebaut" ist das Synonym für "Pech gehabt", oder auch für "ich hab's getan - aber leider erwischt", oder auch für "ich habe gegen Gesetze verstoßen". Bleibt zu wünschen, daß Lars, wie er sich in der Sendung nannte, den Weg, den er eingeschlagen hat, weiter gehen wird. Kein Scheiße bauen mehr, keine Drogen, nie wieder Knast. Alles Gute dafür.
höre auch: http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/gespraechszeit/lars102.html
19. April 2010
Die Oper als Doofenschule
Don Giovanni, Mozart, Pelz und andere
von Katharina Loewe
Mein Gott, hatte ich Lampenfieber vor meinem Auftritt in meinem neuen Abendkleid letzten Freitag im Theater am Goetheplatz. Würde es auch genug Beachtung finden, immerhin hat es ja 189 Euro gekostet. Würde ich mithalten können mit den Garderoben der feinen Damen und Herren im Opernfoyer? War ich elegant genug und opernwürdig? Es wurde ja schließlich nicht irgend etwas Beliebiges gespielt,sondern Mozarts Don Giovanni - eine der besten Opern der Welt, wie man nachlesen kann. Da will man ja nicht als Provinznudel auffallen in Sachen Opernkleidung. Meine Begleitung hatte sich entsprechend heraus geputzt. Mein letzter Opernbesuch lag einige Zeit zurück. Ich war nicht mehr auf dem neuesten Stand, was Opernauftritte betrifft. Also mit Herzklopfen hinein in die Opernarena Theater am Goetheplatz, Don Giovanni, Mozart.
Dann die enttäuschende Overture im Foyer. Nix Eleganz und feine Opernwelt. Kein Schwein, geschweige denn Mann, drehte sich nach mir und meinem Dunkelblauen um, meine ebenso neuen Stöckelschuhe klapperten völlig unbeobachtet über den Theaterflur. Meine langsamen körperschwingenden Flanierbewegungen verpufften im Getümmel von ländlichen Abonnementsbesuchern, die wohl, wie ich, lange nicht mehr im Theater waren. Aufgeregt zur Garderobe, aufgeregt schnell noch einmal auf Klo, aufgeregt in den Handtaschen nach den Taschentüchern wühlend, aufgeregt den lahmenden Mann in den Ärmel genommen und zum Platze führend. Alle nur mit sich selbst beschäftigt, pärchenweise. Kein Blick für die Umwelt. Überwiegend ältere Paare, ordentlich gekleidet, zum Teil in Schlips und Kragen - könnte auch die Jahreshauptversammlung des Landvolkes gewesen sein. Und dazwischen hüpften ein paar Junge herum, wahrscheinlich Studenten der Musik. Ganz locker. Turnschuhe, Ringelpullover, Rucksäcke, Schlabberlook. Das soll Oper sein?
Dann das Stück. Das fing ja auch gut an: der Sänger vom Leporello saß in Rom fest wegen des isländischen Vulkans und musste durch einen Ersatzsänger von der Hamburger Staatsoper ersetzt werden. Das war schon einmal symbolisch für die gesamte Aufführung. Irgenwie kam das alles nach 2.Wahl oder nach 3.Aufguss rüber.
Weder die als so herrlich gepriesene Mozartmusik noch die Handlung und schon gar nicht die Ausführenden kamen mit dem Esprit rüber, der für dieses lange, wenn nicht überlange Stück notwendig gewesen wäre, um echte Opernfreude und musikalische Glückseeeligkeit aufkeimen zu lassen. Alles sah irgendwie nach Routine und arbeitsvertraglicher Pflichterfüllung aus. Meinem Begleiter jedenfalls mußte ich mehrere Male leichte Seitenhiebe verpassen, damit er ins Geschehen zurück kehrte. Und dann diese auf Modern getrimmte Handlung (Uraufführung 1786). Schrecklich. Ein Mantel- und Degenstück aus dem Spätbarock mit den entsprechenden Moralvorstellungen und Geisteshaltungen 1:1 transportiert in ein Pelzmantel- und Ballermannstück des 21.Jahrhunderts. Schrecklich. Menschen im Hotel, die sich die Frauen nach Belieben greifen, die morden, die rachesüchtig sind, die skrupellos sind, die mal hier mal da, die die Kleider tauschen. Es sieht teilweise so albern und lächerlich aus. Und wenn man dann noch die zum Glück in italienisch gesungenen Texte in der deutschen Übersetzung oben auf dem elektronischen Laufband verfolgt, dann kommt man sich vor wie in der "Doofenschule". Schade, auch die schönen Arien verpufften im Getümmel dieser Inszenierung, abgesungen - mehr nicht. Die Emotionen, die oben vorgespielt wurden, kamen unten im Zuschauerraum nicht an - jedenfalls bei mir nicht, und bei meinem Begleiter schon gar nicht, denn ich mußte ihm, als im zweiten Akt zum Schluß der Wüstling Don Giovanni dem Tode durch Erschießen zugeführt wurde, zweimal kräftig in die Seite knuffen. Erst beim anschließenden Rotwein (nach 3 ein Viertel Stunden) im Theaterrestaurant wurde er wieder ein wenig wach. Typisch Mann! In der Oper einschlafen, aber danach den Don Giovanni machen. Das haben wir Frauen ja so gerne!
Die Frage übrigens, was diese PELZ-Schilder in dem Stück für eine Bedeutung hatten, ist geklärt: Sie haben keinerlei Beziehung zu Pelz, den wir ja von dieser Zeitung her kennen, sondern sie sollten allen Doofen im Zuschauerraum verdeutlichen, dass es sich um Pelzmäntel handelte, die die männlichen Protagonisten dort trugen.
3. Mai 2010
Tanz in den Mai und Walpurgisnacht bei Heike und Marlene, oder: Frida Kahlo lässt grüßen
Katharina Loewe war bei einer Weiberfete eingeladen
Heike und Marlene sind zwei nette Freundinnen. Sie wohnen als 2er-WG in einer schönen großen Wohnung am Buntentorsteinweg, Höhe Deichschart. In diesem Jahr hatten sie zum Tanz in den Mai und zur Walpurgisnacht zu sich in die Wohnung eingeladen mit Überraschungsprogramm. Männer mussten, wie immer in unserem Freundinnenkreis, leider draußen bleiben. Jede der Eingeladenen sollte etwas Leckeres zu Essen mitbringen. Darüber hinaus war gewünscht von Heike und Marlene, dass alle, wie immer zur Walpurgisnacht, als Hexen geschminkt und verkleidet erscheinen. Auch war draußen etwas geplant, deshalb sollte nach Wetterlage auch entsprechende wetterfeste Kleidung mitgebracht werden. Und ein reitbarer Besen. Gesagt, getan. Ich bereitete einen herrlichen Nudelsalat zu, holte fetzige alte Klamotten aus dem Schrank und schminkte mich – dabei glaubte ich sehr originell zu sein – hexig fridakahlomäßig. Ist ja schließlich ihr 100.Geburtstag in diesem Jahr. Das wird, so dachte ich, bestimmt kulturellen Eindruck bei den Anderen hinterlassen und zu guten Gesprächen animieren. Als Besen nahm ich den alten Weidenrutenbesen aus dem Schuppen mit. Ich also los zu Heike und Marlene, wie immer zu spät. Bei meiner Ankunft war die ganze Wohnung schon voll, einige der Freundinnen aßen bereits. Mein Nudelsalat wurde mir quasi aus den Händen gerissen. Andere verkleidete Hexen tanzten bereits stampfende Hexentänze auf dem edlen, freigeräumten Laminattanzboden, dass es nur so schepperte. Und, o Gott, bei näherem Hinschauen in die Hexengesichter meiner Freundinnen: sie hatten sich in diesem Jahr fast alle fridakahlomäßig angemalt. Peinlich, Peinlich. Ich verkrümelte mich erst einmal in die Küche, um anzukommen. In der Küche hatten es sich 3 weitere Fridas bei kühlem Weißwein gemütlich gemacht, und sie luden mich ein, ein Gläschen mitzutrinken. Wir bestätigten uns gegenseitig, wie nett doch alles ist und wie sensibel sich alle als Hexen zurechtgemacht hätten. Darüber, dass wir alle gleich aussahen, wurde allerdings kein Wort verloren. Und so wurden aus dem einen Gläschen dann weitere bis zum Höhepunkt des Abends. Gegen halb zwölf riefen Heike und Marlene zur Überraschungsevent auf. Wir alle sollten unsere Besen greifen und uns für eine kleine Outdooraktion fertig machen. Wir verließen das Haus in Hexenformation von ca. 16 – 20 Frida-Kahlo-Hexen, durchquerten den Deichschart und überquerten die Deichschartbrücke in Richtung Krähenberg, auf dem bereits ein kleines Walpurgisnachtfeuer brannte. Nun waren wir nicht mehr zu halten und umtanzten fast ekstatisch das Feuer auf unseren Besen reitend immer und immer wieder. Dabei wurden geheimnisvolle Hexenlieder intoniert, die Heike und Marlene vorher einstudiert hatten. Es war einfach schön, so aus sich heraus kommen zu können und einmal „die Sau“ raus zulassen. Der absolute Höhepunkt sollte aber noch kommen. Und Sie werden es nicht glauben, liebe F&U-Leserinnen und Leser, Heike und Marlene wollten uns den Hexenflug über den Werdersee vorführen. Bei aller Walpurgisnachtekstase, so dachten wir anderen Fridas, das ist doch nun wirklich Spökenkiekerei, das geht doch nicht, und wir wollten die Beiden von ihrem Vorhaben abbringen. Aber vergebens! Sie forderten uns auf eine engumschlungene Walpurgisgasse aus unseren Körpern zu bilden, aus der heraus sie jetzt den Abflug starten würden. Und tatsächlich, das Feuer lodert vor sich hin, wir bildeten die Abfluggasse und sangen leise mythische Töne: Heike und Marlene, ihre Fluggeräte unter die Beine geklemmt, nahmen ca. 11 Meter Anlauf und hoben auf dem Scheitel des Krähenberges ab in die Lüfte Richtung Werdersee und Habenhausen. Wir trauten unseren Augen nicht und sahen die beiden Freundinnen entschweben Richtung Erdbeerbrücke. Wie wir später erfuhren, sollen sie kurz hinter der Erdbeerbrücke in Höhe Schulz auf dem Dach eines Haake-Beck-Bierstandes gelandet sein, der zum Zeitpunkt der Landung rund herum vollgestellt gewesen sein soll von Bier und Korn trinkenden Habenhausenern. Sie sollen reichlich verdutzt gewesen sein, als unsere beiden Freundinnen vom Dach rutschten. Näheres soll Fellstein wissen.
1. Juli 2010
Gitarre trifft auf Klavier
Veteranentreffen mit Seele
Wecker und Wader im Musical-Theater
Gestern in Bremen. Die 12-49jährigen jungen Bremer und Bremerinnen strömen auf die Osterdeichwiesen zur Eröffnung der Breminale 2010. Und genau zum richtigen Zeitpunkt wurde uns Älteren zwischen 50-99 die richtige Alternative zur Breminale geboten: Hannes Wader und Konstantin Wecker gemeinsam im Musical-Theater. Und so strömten wir alten DKP-Maizelt-Veteranen und wir alten Konstantin-Wecker-Süchtigen, die kein Konzert der beiden im Zelt oder in der Glocke verpasst hatten, in die Musical-Halle. Alle waren wir anzutreffen, die in den vergangenen 40 Jahren revolutionäres und linkes Gesangsgut der Barden in uns aufgesogen haben. Wir waren doch alle dabei, als Hannes Wader noch mit Finkenwarder Arbeiterhemd, rotem Halstuch und Schiffermütze im Zelt seine proletarischen Kampflieder trällerte. Waren wir nicht auch dabei, als Konstantin Wecker körperlich schon schwer angeschlagen in der Glocke weintrinkend seine halluzinatorischen Liebeslieder leierte. Haben wir nicht die Plakate der Liedgötter in unseren Arbeitszimmern zu Hause und sogar in unseren Büros aufgehängt? Haben wir nicht alle Platten und alle Bücher der beiden, egal was drin stand und was gesungen wurde, gesammelt und stolz in unsere Ikearegale gestellt. Wie Konstantin sein Haus in der Toskana gebaut hat mit seiner WG, und wie er immer runter gegangen ist ins toskanische Dorf, um mit der einheimischen italienischen Dorfbevölkerung in der Bar Wein zu trinken. Wie süchtig er war nach dem Strand und der Sonne - von dem anderen Zeugs keine Rede. Und die schönen Geschichten vom vernachlässigten Arbeiterkind Hannes, und dann die Geschichten von der Mühle in Schleswig-Holstein und was da im einzelnen so abging. Heute hier, morgen da. Ja, unsere ganze Gemeinde war versammelt. Überragende Farbe war grau, Durchschnittsalter mindestens 65. Egal, ob ehemaliger SPD-Senator, ob ehemaliger Gesamtpersonalratsvorsitzender, egal, ob ehemalige Jugendbildungsreferentin, ob Obergenosse der DKP, ob Grünen-Aktivist oder Behördenleiter usw.usw. - alle waren wir da. Häufig ein: ach, Du auch hier? Häufig ein verschämtes Wegkucken, häufig ein Nichtmehrkennen, Nichtmehrgrüssen. All die Jahre sind ja schließlich nicht spurlos an uns vorber gegangen. Uns ist ja genau so gegangen, wie unseren beiden Liedgöttern: Erfolge, Abstürze, politische Wendehalsereien, Gewinn und Verrat - alles lag doch für uns alle - einschließlich unserer Sänger - immer ganz nahe beisammen.
Also - ein Veteranentreffen mit grossen Solidarisierungseffekten von vorne herein. Auf grosse künstlerische Leistungen kam es doch von Anfang an gar nicht erst an. Bei den ersten Akkorden, die Conni auf dem Klavier oder Hannes auf der Gitarre anschlugen, wussten wir was kommt - und der Applaus brandete sofort auf. Es hätte bei den ersten Akkorden oder bei den ersten Liedversen bleiben können, um auch Zeit zu sparen, wir hätten die Melodien und die Texte selber singen können, so wie es zum Schluss bei " Kumm' bi de Nacht" , von Wader auf plattdeutsch vorgetragen und von Wecker auf bayerisch übertragen, dann ja seelenrührig auch geschehen ist. Ach, war das schön. Mir persönlich als altem Jahrgangsgenossen, biographischem Begleiter und Verehrer von Wecker gefiel Wader, den ich früher schon allein wegen seiner DKP-Mitgliedschaft nicht so geschätzt habe, ausserordentlich gut. Sehr professioneller Auftritt, starke Persönlichkeit, unpretentiöse Auftritte und klares Gitarrenspiel mit charismatischer Stimme. Da war ich schon sehr beeindruckt. Alles in allem: ein lockerer Veteranenabend mit schönen, bekannten Liedern. Gut, dass wir uns einmal wieder gesehen haben!
09. August 2010
Katharina Loewe (links) kämpft mit den Tränen
Judith Rakers (rechts) ist die neue 3nach9-Moderatorin
Gibt es denn keinen Bremer Lokalpatriotismus mehr?
Ein Kommentar zur 3nach9-Moderatorinnenentscheidung
Von Josef Fellstein
Das ist einmal wieder typisch bremisch. Da wird eine neue Moderatorin für die Bremer Sendung 3nach9 gesucht, und wer wird genommen? Eine Auswärtige, und dazu auch noch eine Ostwestfälin!
Sind wir denn in Bremen nicht schon gestraft genug durch ostwestfälische Umweltsenatoren, durch ostwestfälische Jugendhelfer und durch ostwestfälische Spielplatztanten? Muss das denn sein, dass unsere einzige überregionale Fernsehsendung nun auch noch von einer Nichtbremerin moderiert wird? Reicht das denn nicht, dass der Chef ein Hamburger ist, der ja eigentlich aus Italien kommt? Warum denn nun auch noch diese zweite Hamburgerin, die ja eigentlich aus Ostwestfalen ist? Das deutet doch alles darauf hin, dass unser Heimatsender Radio Bremen eigentlich schon längst in der Hand des NDR ist. Das ist doch für uns Bremer genauso, als würde das Trainingskonzept und die Mannschaftsaufstellung unseres ruhmreichen SVW aus der Direktionszentrale des HSV gesteuert werden. Gibt es denn keinen Lokalpatriotismus mehr in Bremen und im neuen Funkhaus hinter der Mauer? Wir haben doch genügend eigene qualifizierte Leute in Bremen. Warum wird nicht eine oder einer von unseren engagierten Grünen aus der Neustadt Senator oder Senatorin? Warum dieser Import aus Ostwestfalen? Unsere Hochschule ist voll mit Bremer Studentinnen und Studenten, die Jobs werden aber an Absolventen aus Lippstadt, Herford, Lemgo, Bad Pyrmont und im Härtefall sogar aus Paderborn vergeben! Muss das denn sein? Die Motivation, gute Leistungen von Bremerinnen und Bremern für Bremen zu erbringen, kann doch bei dieser Personalpolitik nicht wachsen! Für 3nach9 hätten wir doch auch gute eigene Bremer Journalistinnen gehabt. Denken wir doch an die vielen smarten kulturwissenschaftlich ausgebildeten Moderatorinnen z.B. beim Nordwestradio. Gut, das Nordwestradio ist ja eigentlich auch NDR, aber zumindest hat es seinen Sitz hinter der Mauer in Bremen. Oder denken wir an die netten kameraerfahrenen Mädels von buten & binnen, wäre denn da nicht eine dabei, die neben Giovanni aus Hamburg den Bremenpart hätte übernehmen können? Oder denken wir an unsere Kollegin Katharina Loewe, eine waschechte Bremerin, die sich auch um den 3nach9-Job beworben hatte, und die sich im Vorfeld der Entscheidung siegessicher bereits auf ihre erste Sendung mit Giovanni am 3.Septembder mental vorbereitet hatte. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie fertig Katharina nach der Bekanntgabe der Entscheidung für Judith Rakers war. Wir anderen von F & U hatten echt viel zu tun, um sie zu beruhigen (siehe Bild oben). So werden hochqualifizierte junge Nachwuchskräfte aus Bremen in Bremen systematisch ins Abseits gestellt! Hier sollten sich die Politiker und die Medienleute wirklich einmal überlegen, ob diese Blicke nach Hamburg und nach Ostwestfalen langfristig positiv zur Selbständigkeit Bremens beitragen. Wir sollten uns nicht wundern, wenn wir eines schönen Tages vom Erzbistum Paderborn aus regiert werden. O Gott, o Gott, alleine die Vorstellung! Dann doch lieber von Hamburg aus.
Sonntag 22.August 2010
F&U am Sonntag
EVVIVA IL COLTELLINO
Große Nachtmusik beim Musikfest Bremen 2010
Es lebe das Messerchen -
Evviva il coltellino
Meine Kulturberaterin und ich waren einmal wieder bei der Großen Nachtmusik zur Eröffnung des Musikfestes Bremen. Es war eine schöne sommerliche Stimmung in der Stadt, da gleichzeitig lange Einkaufsnacht war. Weil es so gerammelt voll war, war es auch ausserordentlich schwierig in den Pausen an gekühlte Getränke heranzukommen. So mussten meine Beraterin und ich in der Pause zwischen den ersten beiden Konzerten auf ein Gläschen lauwarmen Riesling vom Fischgeschäft Nordsee zurückgreifen. Kulturlos? Oder? Immerhin kostengünstiger als an den aufgeblasenen Weinständen, an denen sich kilometerlange dürstelnde Warteschlangen gebildet hatten.
6 Messerchen 7 Messerchen 5 Messerchen
von 7 möglichen von 7 möglichen von 7 möglichen
I SOLISTI DEL VENTO FRANCO FAGIOLI ORCHESTRE
& TRIO LES SIÈCLES
+ RINAT SHAHAM
Belgian Brass Countertenor Junges Pariser Orchester
im Haus der Bürgerschgaft in der Liebfrauenkirche mit Mezzosopranistin
in der Glocke
Meine Beraterin und ich hatten von den 7 Kombinationsmöglichkeiten die oben angezeigte in der Reihenfolge von links nach rechts ausgewählt.
Die belgischen Bläser eröffneten unseren Musikabend mit der Bläserserenade B-Dur "Gran Partita" von Wolfgang Amadeus Mozart. 13 hervorragende Ensemblemitglieder spielten nach unserer Meinung sehr sauber und sehr abgestimmt. Einzige kleine Einschränkung: der Raum da oben im Haus der Bürgerschaft ist für musikalische Darbietungen eigentlich nicht geeignet. Offenes Treppenhaus, schallschluckende Teppiche, verwinkelte Fenster - Gift für jede gute Akkustik. Schade, die hätten es verdient gehabt, einen besseren Spielort vorzufinden. Eine sehr gute Gruppe mit schöner Blasmusik. 6 Messerchen.
Dann durch das Gewühl der Trinkfreudigen auf dem Marktplatz und dem Rathausvorplatz hinüber zum Liebfrauenkirchhof. Wie gesagt: alle Aussentrinkplätze besetzt und lange Warteschlangen vor den Getränkeausgabepavillons. Und wie gesagt: Nordee! Riesling! Lauwarm! Das echte Lesmonagefühl wollte dabei nicht aufkommen. Aprospos Lesmona. Ist dieser Aufmarsch bei der Großen Nachtmusik nicht inzwischen so etwas geworden wie Lesmona ohne Picknick? Meine Kulturberaterin und ich befürchten, wenn es zugelassen würde, Essen und Trinken mitzubringen zu den Konzerten, dann würde mindestens die Hälfte der Besucher sicherlich gerne davon Gebrauch machen, inklusive Klappstühlen und Tischen. So wurde beispielsweise im Bläserkonzert leise zwei Reihen hinter uns vom zwangsverpflichteten Vati der Mutti zugewandt gefragt: Wie lange noch?
Lesmona hin, Lesmona her, jetzt unsere 2. Station: Liebfrauenkirche, Monteverdi, Vivaldi, Händel, leise Laute, leises Cello, leises Spinett, und im Mittelpunkt ein kleiner Sänger im grauen Anzug mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Rowan Atkinson - der Countertenor Franco Fagioli aus Argentinien. Weltspitze. Unglaublich, was der Mann an klarer Sopranstimme und manchmal auch Mezzosopranstimme in den Kirchenraum zauberte. Farinelli und alle anderen Castrati ließen grüßen. So schön und so anrührend haben meine Beraterin und ich solche Lieder zuletzt nur auf der CD Sacrificium von Cecilia Bartoli gehört. Das war ein wirklich großartiges musikalisches Erlebnis. 7 Messerchen.
Nachtrag: Heutzutage benutzt man die Messerchen nicht mehr bei der Ausbildung von Countertenören! Damit da nicht etwas in den falschen Hals kommt!
Schlusspunkt: Glocke. Im Foyer endlich einen kühlen Weißen erwischt, doppelt so teuer wie im Fischgeschäft, aber lecker! Viel Prominenz an den Champagnerständen, der Bürgermeister persönlich, Ex-Senatoren mit ihrer Elke an der Seite, Wirtschaftsprominenz, Kulturprominenz. In der zweiten Reihe hinten an den Fenstern eher Zuarbeiter und Möchtegerns. Egal, kommen wir zum Konzert. Das Orchestre les Siècles aus Paris spielt Bizet, Ravel, Chabrier - ebenfalls alles Franzosen. Ein großes junges Orchester. Junge Musiker aus ganz Frankreich sollen hier versammelt sein. Sie legen los und bringen das Publikum nach den ersten beiden Stücken sofort auf die Bravoseite. Beim 2.Stück mußte der Dirigent Francois-Xaver Roth, der, wie meine Beraterin feststellte, eine gewisse Ähnlichkeit mit Jack Nicholsen in dem Film Kuckucksnest haben sollte, was ich allerdings nicht unbedingt bestätigen will, das Bravo ein wenig selbst anklatschen, da wir alle nicht begriffen hatten, dass das Stück schon zu Ende war. Dann ganz in Rot eine schwarzhaarige Schönheit: die israelische Mezzosopranistin Rinat Shaham. Sie singt 3 - 4 Arien aus der Oper Carmen von Georg Bizet. Der Aufzug passte sehr gut, die Stimme ausgezeichnet mit dem gewissen spanischen Temperament. Alles schöne Opern-Gassenhauer, der rechte Fuß wippte mit. Populäre Musik, die den meisten sofort ins Blut überging. Entsprechend der Bravo-Enthusiasmus, Lesmona ließ schon wieder grüßen. Danach der Höhepunkt dieses Endabschnittes: Der Bolero von Ravel. Hier holten die jungen Musiker alles aus sich heraus, die Steigerung von ganz leise bis ganz laut gelang sehr gut. Sehr gut der Trommler, sehr gut die Bläserpartien. Meine Beraterin und ich sind ja keine Musikexperten, wir hatten dennoch zum Schluß die Frage, ob der Schluß vom Bolero mit so viel Remmi Demmi geboten werden muß, wie das hier geschehen ist. Fazit für den Bolero nach unseren Ohren: Am Anfang schön differenziert, zum Schluß überschlugen sich die Geister.
Wir wollen ja nicht böse sein, aber diese letzte Abschnitt in der Glocke hätte auch gut firmieren können unter der Rubrik: Hitparade der volkstümlichen französischen Klassik. 5 Messerchen von 7
Zum Ende der Nacht dann endlich ein schöner trockner Riesling in der Weinaussenausgabestelle des Ratskellers mit den lichtbestrahlten Gebäuden rings um den Marktplatz. Sehr schön! 8 Messerchen von 7
Dienstag 07.September 2010
ROBERT SCHUMANN
Musikfest Bremen
Das war ein schönes Konzert gestern Abend in der Glocke: Die Deutsche Kammerphilharmonie unter der Leitung von Paavo Järvi hat uns zwei Sinfonien und ein Klavierkonzert von Robert Schumann präsentiert. Am Klavier die international bekannte französische Pianistin Helene Grimaud. Zwei weitere Sinfonien und die Manfred-Ouvertüre folgen heute Abend. Nach Beethoven entdeckt die Kammerphilharmonie nun Schumann für uns Musikkonsumenten neu. Im ausverkauften Saal der Glocke gab es große Begeisterung für den Vortrag der Künstler und Künstlerinnen. Helene Grimaud wurde stürmisch gefeiert, ebenso die Kammerphilharmonie. Für mich und meine Konzertagentin war Schumann, den wir bisher immer nur zufällig im Radio gehört hatten, ein völlig neues Hörerlebnis. Jedenfalls hat es uns als "Sinfonielaien" ausserordentlich gut gefallen. Schöne Musik! Das Bremer Klassik-Publikum wie immer: im Foyer viel weibliche Kulturaristokratie in Herrenbegleitung. Die Herren meist sehr steif in Konzertanzüge gepresst und mit Konzertkrawatten bestückt - im Saal enthusiastisch, ja fast wie bei einem Popkonzert: rythmisches Klatschen und Parkettgetrampel! Einige der Herren sind sogar geschult in lautem Saalrufen wie z.B. Brava, Bravo usw. Andere können sogar das Indianergeheul, das sie mit Hand, Mund und Stimmbändern herausjodeln in den Saal. Diese Bremer Klassik-Kultur-Szene: einfach eine Sinfonie für sich!!
Dienstag 21. September 2010
Heute: 150. Todestag von Schopenhauer
Die Rasur ist das Abzeichen höherer Zivilisation
oder: Trommle mir bitte keinen Rap
"Als Zweck unseres Daseins ist in der Tat nichts anderes anzugeben als die Erkenntnis, daß wir besser nicht da wären". Unser Arthur hatte zeit seines Lebens für alle Lebenslagen immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Der als Misanthrop bezeichnete Danziger, der später in Frankfurt lebte und starb, ist wohl als der pessimistischste Philosoph unter den großen deutschen Philosophen zu bezeichnen. Ein Lächeln kam selten über seine Lippen, er sah eher verkniffen in die Gegend - da half wohl auch kein Äppelwoi und kein Handkäs mit Musik.
Dennoch: er hat viele Lebenssituationen, die die Menschen erfassen können, richtig vorhergesagt, wie aktuelle Beispiele zeigen. Hier ein paar davon, voran gestellt ist immer das Zitat von unserem Arthur, danach folgt dann der konkrete Fall:
ANTLITZ
"Alles Behaartsein ist tierisch. Die Rasur ist das Abzeichen höherer Zivilisation."
Politiker- selbst Angela-, Manager der Atomindustrie, Bankschalterbeamte, Fondsmanager, Fernsehansager, Versicherungsagenten, Altkanzler: alle schön glatt rasiert!
Dagegen: Gorleben-Demonstranten, Lehrer, Nett-Wild-Zeitung-Schreiber, Undercoveragenten, Professoren, Jugendhelfer, Penner: verlaust, langhaarig, bärtig!
GENUSS
"Der Tor läuft den Genüssen des Lebens nach und sieht sich betrogen. Der Weise vermeidet die Übel".
Der berühmteste Fall hierfür ist doch die Geschichte, wie Charles Bukowski einmal an eine magersüchtige Prostituierte geriet, die ihm das Rezept für vegetarischen Bremer Braunkohl schmackhaft machen wollte. Unser hohlwangiger, dünner, gottesfürchtiger Exbewährungshelfer aus der Neustadt dagegen ißt überhaupt keinen Grünkohl, geschweige denn den Bremer Braunkohl. Ihm, dem Moralisten, ist deshalb auch nie übel!
DUMMHEIT
"Es gibt Kamele mit einem Höcker und welche mit zweien. Aber die größten haben gar keinen".
In einem Jugendheim in der Neustadt stritten kürzlich zwei Jugendhelfer über die Frage, ob ein renitenter Heimzögling mit Migrationshintergrund eher mit Nahrungsentzug oder eher mit Peitschenhieben pädagogisch zu bestrafen sei. Als es zu keiner Einigung kam, kam der Erziehungsanstaltsleiter und ordnete an, dass der Pappenheimer sowohl vom Abendessen auszuschliessen sei und vor dem Zubettegehen auch noch zum pädagogischen Peitschen anzutreten habe.
SCHWEIGEN
"Auch wird man einsehen, daß Dummköpfen und Narren gegenüber es nur einen Weg gibt, seinen Verstand an den Tag zu legen, und der ist, daß man mit ihnen nicht redet".
Vor kurzem begab sich ein Musiker aus der Provinz in die Stadt, um an einer Versammlung von Nichtmusikern teilzunehmen. Der Musiker reiste mit der
Absicht in die Stadt, den städtischen Nichtmusikern einmal zu trommeln, wie getrommelt wird. Er dozierte und trommelte unaufgefordert vor der
versammelten Mannschaft und vor der Presse, die auch anwesend war, dass selbst auf Eimern getrommelt werden könne. Der Höhepunkt: der Musiker
ergriff vor den versammelten Nichtmusikern einen im Versammlungsraum stehenden Papierkorb und trommelte darauf einen Rap. Das reichte dem
städtischen Versammlungsleiter, der völlig unmusikalisch daraufhin die Vorführung beendete und die Versammlung der Nichtmusiker vertagte. Mit dem
Künstler aus der Provinz spricht er seit dem kein einziges Wort mehr.
Dienstag 02. November 2010
WARUM DER NEID, HERR BRÜGGEMANN?
Ein Kulturkommentar zum Kulturkommentar
von unserer Kulturredakteurin Katharina Loewe
Heute in unserer Heimatzeitung: Unter dem despektierlichen Titel "Der Stehgeiger des Boulevards" zerschmettert unser Klassikkulturbeauftragter Axel Brüggemann die Erfolge unseres derzeitigen Nationalgeigers David Garrett. Als habe David Garrett bereits das Niveau von Helmut Zacharias erreicht, degradiert Herr Brüggemann unseren allseits verehrten David zum Popstar, nur weil er mehr Platten verkauft hat als die die anderen Geiger und Geigerinnen. In seiner unverwechselbaren Art Klassische Musik zu überhöhen und zu mystifizieren findet Herr Brüggemann es schlimm, wenn ein Klassischer Musiker endlich einmal ankommt bei den Massen. Ja, und? War das denn nicht schön letztens in der Überseestadt, wie David für uns aufgespielt hat - ja, sogar die Nationalhymne spielte er für uns alle. Soll sich denn David verstecken in den muffigen Salons der verstaubten Kammermusik, soll er denn nur den höheren Klassen vorspielen, will denn Axel Brüggemenn tatsächlich die musikalische Teilung der Gesellschaft in die elitären Genießer der reinen klassischen Töne und den proletarischen, ungebildeten Poprest, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Gilt denn musikalisch nur noch einer was, wenn er auf dem Grünen Hügel mit geliehenen Hosen herumwagnert und 7 Stunden in der muffigen Wagnerbude den "heiligen Tönen" lauscht. Nein, das kann Herr Brüggemenn nicht im Ernst meinen - er hat letztens doch selbst Lady Gaga angehimmelt. Ich glaube, dass etwas anderes dahinter steckt. Herr Brüggemann ist offensichtlich neidisch darauf, dass David vier bis sieben gleichzeitige Frauen hat. Und weil er immer noch nicht verknusen kann, dass Carla Bruni statt mit ihm mit Sarkozy geht, macht er einerseits alle Schlagersängerinnen und andererseits alle männlichen Geiger fertig. Dabei gibt es doch überhaupt keinen Grund für Neid Herr Brüggemann. Carla liebt Sie doch nach wie vor noch! Das mit Sarkozy macht sie doch nur, um Angela eifersüchtig zu machen. Und das mit den vielen Frauen von David müssen Sie doch so sehen: denen spielt er doch immer nur den Hummelflug vor und lässt von den Damen die Zeit dabei stoppen. So können Sie sich also beruhigen Herr Brüggemann wegen der Mädels von David: das sind keine Geliebten, das sind Kampfrichterinnen. Also, wir sehen uns demnächst in der Oper Herr Brüggemann, ich sehe so ähnlich aus wie Cecilia Bartoli als Marisa dos Reis Nunes. Oder soll ich mich wie Ann-Sophie von Mutter zurechtmachen?
Nr. 15/12
Mittwoch, 18.Juli 2012
VERSCHIEDENES ÜBER CABRIOLETS
eine kleine Zusammenfassung von Uli Pelz, neidischer Golf-Schiebedach-Fahrer
DAS OFFENE CABRIOLET ist uns seit der Steinzeit bekannt. Das Cabriolet ist quasi die Urmutter aller Automobile, auch wenn in der Steinzeit der Antrieb noch mit den Füßen und mit eigener körperlicher Kraft organisiert werden mußte. Gut, dass seit der Steinzeit immer eine weibliche Begleitung dabei ist. Wenn er, der Fahrer, nicht mehr kann, dann kann sie, die Beifahrerin, locker übernehmen.
DAS STEINZEITLICHE CABRIOMODELL ist dann später bei der touristischen Erschließung unserer Eiszeit-Seen und noch später bei der Randbesiedlung unserer Baggerseen für Wasserfahrzeuge übernommen worden - genannt: Tretboot. Das Tretboot kann ohne weiteres als größter emanzipatorischer Fortschritt in der Geschichte der Mobilität betrachtet werden, da hier zum ersten Male die Beifahrerin mittreten durfte; was ihr, wie man sieht, große Freude bereitet.
Die Entwicklung der heutigen Autos mit einem Verbrennungsmotor als Antrieb kam 1886 in Deutschland einen Schritt weiter: Als die Geburtsstunde des modernen Automobils gilt der Motorwagen, den Carl Benz 1886 gebaut und zum Patent angemeldet hatte.. Kurz danach folgten unabhängig davon in Canstatt bei Stuttgart Gottlieb Däumler (später Namensänderung in Daimler) und Wilhelm Maybach sowie Siegfried Marcus in Wien mit weiteren Fahrzeugen. Alle hatten damals bereits ein gemeinsames Kennzeichen: Es waren Offene Cabriolets ohne Verdeck für 2 Personen, also für den Fahrer und die Beifahrerin. Sie konnten somit nur bei trockenem Wetter fahren. Bei Regen mussten sie ins Haus oder in die Scheune oder in die Rathäuser.
ANFANG DES 20. JAHRHUNDERTS, so in der Zeit zwischen den beiden von Deutschland initiierten Weltkriegen 1918 - 1939, verlief die Entwicklung des Cabriolets rasant. Das Fahrgestell wurde jetzt in eine Karosserie gepackt, bestehend zuerst aus Wolle, dann später aus Pappe, dann zuletzt aus Blech. Bei den privelegierten Fahrzeugnutzern, wie dem Kaiser, dem Reichspräsidenten oder dem späteren Reichsführer, bestand die Karosserie selbstverständlich aus Blei oder Krupp-Stahl. Auch wurde in dieser Zeit das flexible Cabrio-Verdeck entwickelt. Bei Sonne offen mit Ledermütze und Sonnenbrille, bei Regen und Starkwind geschlossen, aber immerhin noch mit Sonnenbrille. So hat die Sonnenbrille sich im Laufe der Auto-Geschichte zu einem obligatorischen Accessoire des Autofahrens entwickelt. Egal, Adolf Hitler sah auf jeden Fall mit oder ohne Sonnenbrille immer Scheiße aus!
DER KÜBELWAGEN. Das Cabrio wurde im Laufe der Geschichte dann nicht nur zivil genutzt. In der Vorbereitung auf den Krieg wurde die Deutsche Wehrmacht in den späten 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem Volkswagen-Kübelwagen ausgestattet. Viele dieser Modelle waren sogar schwimmfähig, damit auf den Feldzügen nach Frankreich oder Russland, oder nach Holland oder Afrika auch größere Wasserhindernisse überwunden werden konnten. Dieses Cabrio, das muss man leider sagen, hat dann seit 39 unendlich viel Leid über die Menschheit gebracht - egal ob mit geschlossenem oder geöffnetem Verdeck.
NACH DEM KRIEG wurde dann cabriomäßig alles runder. Die Kübelwagen wurden in Käfer verwandelt - besonders schick und elitär: der Käfer als Cabrio. Das Deutsche Wirtschaftswunder kam, und wer von den Gewinnern und Überlebenden des Krieges etwas auf sich hielt und genügend Deutsche Mark zur Verfügung hatte, der zwängte sich nicht in einen Lloyd oder Goliath, auch nicht in ein Gogomobil oder in einen Messerschmidt Kabinenroller(in den man ja von oben einsteigen mußte) - nein, der fuhr Käfer de Luxe, das Cabrio. Noch heute, so sagt man, ist das Fahren mit dem VW-Käfer-Cabrio das non-plus-ultra allen Cabriofahrens. Gut, auch im Fiat, dem Volkswagen der Italiener, soll es nicht schlecht sein - aber Käferfahren hat eben immer noch so etwas von diesem früheren Kübelwagenfahrgefühl!
ES GIBT AUCH ANDERE SCHICKE CABRIOMARKEN. Hier sehen wir so einModell der Luxusklasse. Mercedes-Benz. Für gewisse geschäftliche Verrichtungen reicht das Käfer-Cabrio eben nicht aus. Besonders wenn man vorfahren muß und repräsentieren muß oder Ware anbieten muß, sei es auch nur sich selbst, dann muß schon ein Stern her, oder dieses blau-weiße bayerische Zeichen, oder die vier ineinanderverhakten Ringe - und wenn es ganz hohe Klasse sein soll, dann mußt du schon auf den schwarzen springenden Hengst zurückgreifen!
REVOLUTION! Seitenwechsel. Fahrerwechsel. Zum ersten Mal in der Cabrio-Geschichte übernimmt eine sonstige Beifahrerin das Steuer als Hauptfahrerin. Cary Grant hatte sich in der Bar nach dem 23. Brandy mit dem Kopf auf den Tresen gelegt und dem Barkeeper zugelallt: Ich kann nich' mehr, bitte holt Grace Kelly, sie soll fahren! So lernte sie Cabriofahren und kurvte jahrelang, den linken Arm immer auf der Cabriokante, durch Südfrankreich, Monaco, Norditalien und die Schweiz. Bei der Heimfahrt aus der Sommerresidenz Roc Agel am Vormittag des 13. September 1982 saß Gracia Patricia, wie sie später als Gattin des Fürsten Rainer von Monaco hieß, an der Seite ihrer Tochter Stéphanie am Steuer ihres zehn Jahre alten Rover 3500. Auf der Route de La Turbie am Ortseingang von Cap-dÀil kam sie in einer Haarnadelkurve aus ungeklärten Gründen von der Straße ab und stürzte 40 Meter tief einen Abhang hinunter. Gott o Gott - warum fuhr sie denn nur so ein englisches Cabrio-Modell? Es gab und gibt doch auch andere schöne, sichere Cabrios. Sie hätte doch zum Beispiel ein Fiat-Cabrio nehmen können!
WAS SOLL'S ? Neueste soziologische Milieustudien belegen, dass Cabriofahrer und Cabriofahrerinnen keineswegs, wie häufig behauptet wird, überwiegend von extrovertierten, egozentrischen Charaktereigenschaften geprägt sind, sondern dass sie durchaus Soziale Verhaltensweisen an den Tag legen. So wurde wissenschaftlich festgestellt, dass die Gruppe der Cabrionisten gerne auch mal im offenen Wagen winkend am Heim für gefährdete Jugendliche vorbeifährt . Auch haben sie ein Herz für Kinder durch das unermüdliche Lesen der BILD.
Sie bremsen, so die Studie, wie selbstverständlich vor den Zebrastreifen, wenn dort ältere Mitbürger mit Rollatoren längere Zeit für die Überquerung benötigen. Ihre offenen Abendfahrten bei schöner Abendsonne, natürlich mit Sonnenbrille, durch die beliebtesten Boulevards der Städte sollen, so die Wissenschaftler, den einzigen appellativen Sozialen Zweck haben: Liebe Weinschlürfende und Austernschlürfende - bitte denkt auch an die Armen und Benachteiligten, die jetzt bei Harzer 4 und Weißbrot von Netto am faden Küchentisch sitzen und RTL 2 kucken. Nobel, oder?
13/30
Montag, 29.April 2013
BALLSAISON
oder: ...man kann ja nicht auf allen Hochzeiten tanzen...
Betrachtungen des Nichttänzers Josef Fellstein
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendeine Einladung zu irgendeinem Ball in die Redaktion flattert. Einladungen zu Berufsständischen Bällen wie
zum Ärzteball oder zum Juristenball sind darunter. Einladungen zu Vereinsbällen wie zum Turnvereinsball oder zum Jugendhilfevereinsball oder zum
Kaninchenzüchtervereinsball geben sich die Ehre. Dann noch Einladungen zu Verbandsbällen, wie zum Beispiel zum Ball des Verbandes Deutscher
Reihenhausbesitzer, oder zum Traditionsball des Verbandes Niedersächsischer Weidebauern (auch genannt: Melkerball), nicht zu vergessen die jährliche
Einladung zum "Frühlingsball" des Bremischen Verbandes der Heimatvertriebenenvereine. Gerne lesen wir auch die Einladungen zu den diversen
Handwerkerinnungsbällen. Dabei freuen wir uns immer besonders auf die Einladung zum Bäckerball, weil es dort immer reichlich Sahnetorten und
Butterkuchen zu essen gibt. Aber auch bei den Einladungen der Dachdeckerinnung, der Malerinnung und der Klempner- und Installateurinnung und anderer
gehen nicht ungelesen an uns vorbei. Nun gut, wir können ja nicht "auf allen Hochzeiten" tanzen und müssen deshalb schon eine Auswahl treffen, an
welchem Ball wir teilnehmen wollen und an welchem nicht. So gehen wir zum Beispiel nicht gerne zum Juristenball, weil uns die stundenlangen
Walzer-Tanz-Vorführungen der jungen juristischen Novizen und Novizinnen vor der Eröffnung des Buffets nerven. Gerade einmal so eben das Juristische
Staatsexamen geschafft, glauben die Jungsjuristen gleich einmal eine flotte Walzersohle aufs Parkett legen zu dürfen. Und nach den Walzervorführungen
dann schmeißen sich die dünnen Novizinnen, ohne etwas vom Bufett genommen zu haben, an die Präsidenten und Juristischen Althirsche ran wegen der
schönen Posten bei Gericht und in den Kanzleien. Das alles mitansehen zu müssen ist nicht besonders schön. Auch will man ja bei so einer eigentlich
gutgedachten Festverannstaltung nicht unbedingt diesem 3.klassigen Rechtsanwalt übern Weg laufen, der dir als Insolvenzverwalter deine berufliche
Zukunft im besten Alter von Mitte 50 nach über 24 Jahren Betriebszugehörigkeit zerstört hat. Das muss ja nicht sein. Nein, der Juristenball ist
für mich persönlich nicht der richtige Ball, zumal ich ja im Altag bereits ausreichend von netten Juristen und Juristinnen umzingelt bin. Eine davon,
aus unserer Straße hier, ist sogar Parlamentsabgeordnete - das will ja wohl was heißen. Da halte ich mich doch lieber am Grillbufett beim
Sportvereinsball wohlfeil oder beim Melkerball, wo es eben nicht nur Milch zu trinken gibt. Schön sind auch immer die Heimatvertriebenenbälle,
besonders dann, wenn Ännchen von Tharau oder das Lied der Schlesier angestimmt wird.
Josef Fellstein
Betreutes Fahren
Donnerstag, 29. April 2010
Josef Fellstein interviewt Jugendliche zum Thema Führerschein mit 17
Josef Fellstein hat in Bremen-Woltmershausen Jugendlichen aufgelauert, um sie nach ihrer Meinung zum Für und Wider des Führerscheins mit 17 zu befragen. Vor der Schule an der Butjadinger Straße sprach er 13 - 16 jährige Schülerinnen und Schüler an. Die stereotype Frage von Fellstein war: Ab 1.1.2011 soll in ganz Deutschland der Führerschein mit 17 eingeführt werden. Dann kannst Du schon mit 16-1/2 Deinen Lappen machen und Du kannst bis zu Deinem 18.Geburtstag zusammen mit einer Begleitperson Auto fahren, wenn Du bestanden hast und 17 bist. Was hältst Du davon?
Hier sind die Antworten der zukünftigen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer:
MANUEL (16):
Hör mal zu Alter, ich hab' Jugendstrafe, ich darf Führerschein nicht machen. Bewährung, verstehst Du. Extrem, oder? Egal, ich fahr sowieso! Mein Bruder läßt mich. Aber nicht verraten, hörst Du Alter?
JULY MICHELLE (15,5):
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich würde mir ja auch gar kein Auto leisten können, was soll ich dann mit dem Führerschein ab 17. Meine Mutter hat ja auch keinen. Mein Vater hat wohl ein Auto, aber der ist weit weg in Potsdam, der Arsch. Abgehauen. Ich weiß auch nicht...
ROY (15):
Führerschein? Ich hab' noch nicht einmal ein eigenes Fahrrad. Wenn ich mal eins brauche, dann nehme ich mir das Erstbeste. Das werde ich ja wohl mit den Autos nicht so machen können. Ich fahr' immer bei "Spritzer" mit in seinem alten Golf, da sind wir dann zu Fünft oder zu Sechst im Wagen - und dann geht die Post aber ab. Der bringt glatt noch seine 190. Meistens fahren wir über die Dörfer, Landstraße, Palette Frankenheimer, Wodka, alles dabei. Geil oy.
PAUL MARTIN (14,5):
Ich kann es schon gar nicht mehr abwarten. Meine Eltern haben mir das Geld für den Führerschein als Konfirmationsgeschenk schon auf ein zinsgünstiges Sparkonto gestellt. Ich kann gut fahren. Mein Vater läßt mich manchmal einige Runden auf dem Firmengelände, wo er Chef ist, fahren in seinem Mercedes. Tolles Gefühl. Ich glaube auch, dass man bei den Mädchen besser ankommt, wenn man ein Auto hat. Mein Traumwagen wäre ja ein schöner großer Audi.
ANJA (16):
Meine Eltern haben mich schon angemeldet bei der Fahrschule. In einem halben Jahr geht es los. Hoffentlich habe ich nicht so einen nervigen Fahrlehrer. Schrecklich diese Lehrer. Wenn ich sehe, wie die Anderen fahren, besonders die Alten, dann wird mir jetzt schon ganz schlecht. Mist auch, dass man im ersten Jahr bis 18 immer so jemand dabei haben muss, der dir sagen will: mach dies mach das.
Später werde ich einen Porsche Cayenne haben, das wird der schönste und größte Wagen im ganzen Wohngebiet sein. Was soll ich mit so einem Pöbelwagen wie Golf oder Ford oder so'n Spießerzeug?
YÜKSEL (16).
Führerschein? Was ist das? In der Türkei haben die meisten auch nicht. Wer ein Auto hat fährt. Am liebsten fahren wir mit Fahne und hupen. Wenn Türkei gewonnen hat. Oder bei Hochzeit. Kolonne.
Ich mach nicht! Scheiß Prüfung. Theoretische. Fahren kann ich, aber was soll ich Theorie?
15.03.2010
Onkel Willi erzählt
Onkel Willi erzählt …
…und unsere Heimatzeitung druckt es.
Schön und gut: jeder hat das Recht Bücher zu schreiben, uninteressante Internetseiten zu gestalten (siehe diese hier) oder von zu Hause zu erzählen. Die Frage ist doch aber, ob die Heimatzeitung, für die viele tausende Kunden teures Abo-Geld bezahlen, diese persönlichen Ablässe, bevor sie beispielsweise als Buch heraus kommen, vorab seitenweise abdrucken und den Lesern zumuten müssen. So geschehen jetzt mit dem Buch von Onkel Willi Lemke: Ein Bolzplatz für Bouake‘.
Heute, am 15.03., fast eine komplette Seite: Vertragsverlängerung im Rotlichtbezirk. Will denn wirklich jemand von den Leserinnen und Lesern der Heimatzeitung wissen, wie viele Werderspieler im Puff von Graz waren? Hat denn wirklich jemand Interesse daran zu erfahren, dass Onkel Willi nicht ganz nüchtern ins Bett gegangen ist nach dem Spiel? Und wie er sich am nächsten Morgen zum Frühstück im Frühstücksraum des Hotels, in dem er in der Nacht zuvor nicht ganz nüchtern ins Bett gegangen ist, aus dem er dann von den Werder-Spielern aus Jux in den Puff von Graz gerufen wurde, , mit Onkel Fischer und mit Onkel Böhmert traf, um ihnen einen gute und eine schlechte Nachricht zu überbringen. Wer will denn das wissen? Und wer will wissen, dass sich Onkel Böhmert ein Ei geköpft hat? Und dass ein Spieler noch im Puff seinen Vertrag mit Onkel Willi verlängert hat? Und wie Onkel Fischer ihn pädagogisch streng behandelt hat. O Gott o Gott, und dann auch noch Onkel Otto, der ja sooo anständig ist. Und dann Onkel Henning: wie er ihn fragte, ob es ihm bei Werder noch gefalle, oder ob er nicht lieber Bildungssenator werden wolle. Und dass er sich das, wie in Graz, dann aber nicht mehr erlauben könne. Und wie seine zweite Frau Heide, die er nicht in Österreich kennen gelernt hatte, keine Einwände erhob. Morgen soll der Vorabdruck fortgesetzt werden: wie Onkel Willi seine Amtszeit als Bildungssenator erlebte. Nein, ich mache das nicht weiter mit. Ich habe bereits angerufen bei der Heimatzeitung und die Lieferung für die Tage, an denen Onkel Willi wieder drinne steht, stornieren lassen. Wer an den Geschichten und den Selbstbeweihräucherungen von Onkel Willi interessiert ist, kann ja in Kürze sein Buch kaufen. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, aus welchem Grunde die Heimatzeitung diesen Sermon seinen Leserinnen und Lesern zumutet. Gibt es denn zu wenige andere Themen, über die aktuell berichtet werden könnte. Mir fiele da ad hoc die Bildungsmisere in Bremen ein, für die Onkel Willi und seine Genossen ja wohl auch Mitverantwortung tragen, oder das soziale Elend eines großen Teils unserer Kinder und Jugendlichen in Bremen. Oder kommt etwa auch noch ein Kapitel in der Heimatzeitung: wie Onkel Willi in Bremen die Bildungsnot beseitigt hat. Dann kündige ich mein Abo komplett!
Leserbrief unveröffentlicht 08. März 2010
zum Thema: Unser Dorf soll schöner werden
Die Verdorfungsabsichten und die provinziellen Forderungen der Neustädter Grünen im Hinblick auf die zukünftige verkehrsstrukturelle Gestaltung der Bremer Neustadt gehen mir nicht weit genug. Es nützt doch nichts, nur die Geschwindigkeit dieser ekelhaften rollenden Autos zu drosseln und flächendeckend chromglänzende Fahrradständer zum Abstellen unserer zweirädrigen Klapperkisten hin zu stellen. Nein, ich plädiere für die komplette Stillegung des durchfließenden Autoverkehrs, damit wieder mehr Platz ist für die Hühnerhaltung und für die sonntäglichen Ausritte. Auch könnten die vielen Kinder, die uns die Neustädter Grünen bescheren, dann wieder sorglos in den Strassen und Gassen spielen, ohne von Feinstaub und gefährlichen elektronischen Wellen gefährdet zu sein. Es könnte wieder Vieh gehalten werden und schöner ökologisch hergestellter Rohmilchkäse unters Volks gebracht werden. Weg mit den Autos aus der Neustadt! Wer von den Neustädtern und Neustädterinnen trotz allem Car-Sharing und trotz BSAG nicht auf das eigene "Unding" verzichten kann, soll dieses dann aber bitte gefälligst außerhalb der Neustädter Dorfzone parken, z.B. in Woltmershausen oder in Huckelriede. Da kommt man problemlos gut entweder zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Schiff oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln hin. Ein guter Platz für den Dorfmisthaufen wäre der jetzige Delmemarkt. Den Discounter und die Marktstände brauchen wir dann ja nicht mehr, weil die Neustädter auf den ehemaligen städtischen Zufahrtsstraßen Langemarckstraße und Friedrich-Ebert-Straße jetzt ja alle ihr eigenes Obst und Gemüse anbauen. Und die Pappelstraße? Die eignet sich doch bestens als Inline-Skating-Bahn. Ich sehe schon unsere aktiven grünen Neustädter Beiratsmitglieder, wie sie in ihren jungen Jahren auf ihren Inlinern die Pappelstraße cool hin und her flitzen. Und kein Auto, kein Bus, kein Lieferverkehr und kein Fahrrad - ja: kein Fahrrad, weil auf der Pappelstraße dann Fahrradverbot ist - stört sie dabei. Ist das nicht eine schöne Vision?
Ulrich Pelz, Bremen
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Mittwoch 18. August 2010
HOCHHAUS HORIZONTAL
oder: Hilfe, meine Nachbarinnen grüßen mich nicht!
Das achtstöckige Hochhaus, in dem ich nunmehr seit 27 Jahren lebe, ist flachgelegt. Unsere Hausgemeinschaft, sagen wir einmal: unsere Horizontale Siedlungsgemeinschaft, besteht aus 16 Parteien. Unser Fahrstuhl ist die verkehrsberuhigte Wohnstraße in der Mitte zwischen den Parteien links und rechts. Hinten haben wir Gärten. Die einen östlich ausgerichtet, die anderen dem entsprechend westlich. Ich lebe gartenmäßig westlich, arbeitszimmermäßig aber östlich, also zum Fahrstuhl, zur Straße hin. Über die Straße hinweg können wir uns gegenseitig in die Fenster schauen und gut wahrnehmen, was in den Hauseingängen, Garagen und Vorgärten so vor sich geht.
Das ist der Vorteil gegenüber einer vertikalen Wohnweise. Hier kann man z.B. aus der Wohnung des 2.Stockes nicht wahrnehmen, was im 7. passiert, es sei denn, es handelt sich um Verbrechen. Dann rast die Polizei mit ihren Einsatzkommandos das Treppenhaus hinauf und man wird zwangsläufig aufmerksam gemacht auf das nachbarschaftliche Geschehen im 7.Stock.
In unserer Horizontalen Siedlungsgemeinschaft geschehen keine Verbrechen, dennoch wissen wir immer, was in der Reihe oder gegenüber so vor sich geht. Auch haben wir Siedlungskommunikatoren, die mal hier mal da Informationen über die Straße hinweg austauschen. Sie sind über alles informiert und betätigen sich als Informationsboten. Auch dieses ist in der vertikalen Lebensweise komplizierter, da du ja immer über das Treppenhaus treppauf treppab müsstest, oder dich ständig im Fahrstuhl aufhalten. Gut, neuerdings, wo es verpönt ist, in den Wohnungen zu rauchen, stehen jetzt die Kommunikatoren der Vertikalen Wohnweise unten am Gemeinschaftsmüllhaus und tauschen während der Rauchvorgänge wichtige Hausinformationen aus.
Bei uns in der Horizontalen Siedlungsgemeinschaft haben wir zudem den Vorteil des demographischen Wandels. Unsere Rentner und Freigestellten, alles Männer, halten sich in ihren Blaumännern und Latzhosen überwiegend vorne zur Straße hin auf, da ja hinten im schmalen Garten alles schnell erledigt ist – es sei denn, ein neuer Geräteschuppen muss gebaut werden oder ein Gewächshaus für die Tomaten. Dauernd die Kürbisse bei ihrem Wachstum zu beobachten ist auf Dauer auch öde, also ab auf die andere Seite, zum Fahrstuhl, zur Straße. Hier rufen wir uns dann lauthals quer über die Straße verschiedene Dinge bezüglich des Wetters, bezüglich des Fußballsportes, bezüglich der Nachbarinnen usw. zu, was natürlich alle anderen, die nicht draußen stehen und rufen, mitbekommen. Soll ja auch.
Was so schön ist an unserer Horizontalen Lebensweise ist die enge Kommunikationsdichte. In der Vertikalen Lebensweise kann man leicht vereinsamen. Du hängst lustlos in der Mitte herum, gehst nicht raus, und du weißt nicht, was oben und unten passiert. Es sei denn, es geschieht einmal wieder ein Verbrechen im 3., dann guckst du natürlich automatisch im Treppenhaus neugierig vom 4. runter in den 3., wer nun wieder hat dran glauben müssen. Dann kommt sogar die Polizei zu dir rein in die Wohnung, um dich als Zeugen zu befragen, ob du etwas gehört hast, gesehen hast, gerochen hast und so weiter. Dann stehst du mitten im Geschehen.
Das ist bei uns Horizontalen alles nicht nötig. 1. weil keine Verbrechen geschehen, 2. weil wir überwiegend draußen stehen und alles mitbekommen. Und weil wir 3. alles gebildete, zivilisierte, teilweise sogar promovierte Menschen sind, die wissen, was sich gehört, und was nicht. Wir haben sogar Ärzte unter uns, Psychologen, Soziologen, Personalentwickler, Geschäftsführer, Fernsehleute. Nur vom Feinsten. Da ist es doch klar, und das unterscheidet uns doch von der anonymen rustikalen Vertikalen Lebensweise, dass hier bei uns geschliffene und zivilisierte Umgangsformen an der Tagesordnung sind. Man begegnet sich respektvoll, man kommuniziert locker über die Gartengrenzen hinweg, man begegnet sich bei gemeinsamem Essen & Trinken und organisiert das gemeinsame Spiel der Kinder, sofern noch welche da sind.
Und vor allem: man grüßt sich freundlich, wenn man sich begegnet. Das ist doch selbstverständlich unter Akademikern und sonstigen gebildeten Menschen. Nicht wie in der Vertikalen Lebensweise, wo der 3.Stock nicht weiß, wer da gerade aus der Wohnung im 5. gekommen ist und grußlos hastig an dir im Treppenhaus vorbei gerannt ist. Etwa wieder ein Verbrechen? Nein, bei uns in der Horizontalen geht uns immer ein nachbarschaftliches Guten Morgen, Moin, Guten Tag oder n’Abend über die Lippen! Manchmal sogar ein herzliches: Alles klar, oder: Na, geht’s gut und so ähnlich. Dadurch drücken wir unser Horizontales Gemeinschaftsgefühl mit Herz und Seele aus.
Gut: die Ausnahmen bestätigen die Regel. Es gibt auch in unserer gediegenen Horizontalen Siedlungsgemeinschaft immer einmal Ausnahmen. So frage ich persönlich mich seit 2 – 3 Jahren, weshalb 3 – 5 meiner Nachbarinnen mich nicht grüßen, obwohl ich hier zu den Straßenältesten zähle!
Eine persönliche Ansprache und Nachfrage war bisher nicht möglich, da sich noch keine Gelegenheit dazu ergeben hat. So kann ich nur spekulieren.
Es werden wohl meine vielen ausländerfeindlichen, integrationsfeindlichen und polenfeindlichen Äußerungen und Randbemerkungen sein, die meine polnische Nachbarin zwei Eingänge weiter davon abhalten, mich zu grüßen, geschweige denn nachbarschaftlichen Kontakt aufzunehmen. Von nachbarschaftlicher Integration oder sogar von Assimilation kann keine Rede sein. Wenn sie wüsste, dass ich bei der VHS den 5-tägigen Kursus: Polen, Land und Leute, bei Filomena mitgemacht habe, und wenn sie wüsste, dass ich sogar Bigos kochen kann, und wenn sie wüsste, dass ich in meiner aktiven beruflichen Zeit als Geschäftsführer schon kurz nach der Wende 4 nette polnische Mitarbeiterinnen beschäftigt habe, würde sie sich dann anders mir gegenüber verhalten? Ich hoffe weiter, zumal ich weiß, dass es lustige Leute sind. Das beweisen sie immer, wenn sie hinten im Garten ihre Feiern haben – unter sich, es wird nur polnisch gesprochen. Na ja, sagen wir Ostpreußen, da kannst du wohl nüscht nich machen. Vielleicht ist es ja auch so, dass sie in Stettin, oder in Danzig, oder in Breslau, wo auch immer sie herkommen mögen, vorher vertikal gewohnt haben, und dass sie sich erst einmal mit den Gegebenheiten des Horizontalen Wohnens in Horizontalen Siedlungsgemeinschaften vertraut machen müssen. Das kann Jahre dauern. Kann auch sein, dass sie einfach nur katholisch ist, und dass sie zu Fremden, besonders zu fremden Männern noch nicht einmal Blickkontakt aufnehmen darf. Wer weiß?
Es werden wohl meine chauvinistischen, frauenfeindlichen und sexistischen Äußerungen und Randbemerkungen sein, die meine beiden Nachbarinnen aus der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft von gegenüber davon abhalten, mich zu grüßen. Andere Männer aus der Straße grüßen sie ja und kommunizieren mit ihnen öffentlich. Warum mich nicht? Ist es nur, weil ich von der anderen Seite bin; ist es, weil ich alt und übergewichtig bin; oder hat es mit der Lächerlichkeit und Gebrechlichkeit meines alten, ungepflegten Autos zu tun? Ich kann es mir nicht erklären! Ich habe schon meinen ehemaligen Sozialarbeiterkollegen von Rat & Tat angesprochen. Er sagte mir, ich solle mich deshalb nicht grämen, das sei normal. Dahinter könnte sich Angst verbergen oder die bei seinem Klientel noch weit verbreitete Annahme, dass die heterosexuelle Welt immer noch mit Vorurteilen und Verurteilungen den Schwulen und Lesben gegenübersteht. Das legt sich mit der Zeit, so sagte er. Wenn sie erkennen, dass du ein toleranter und aufgeklärter Mensch bist, dann ändert sich das, so der Kollege. Er gab mir den guten Rat mit auf den Weg, weiterhin um Freundlichkeit den Nachbarinnen gegenüber bemüht zu sein, und ihnen zu zeigen, dass man von ihnen weiterhin die Rückgabe dieser Freundlichkeit erwartet. Das sind Lernprozesse, so sagte er. Das kommt schon noch! Immerhin, so der Kollege weiter, sind die gesellschaftlichen und rechtlichen Prozesse und Ergebnisse im Hinblick auf die Tolerierung und Gleichstellung der Schwulen und Lesben in Deutschland noch relativ jung. Da hätten wir alle noch viel zu lernen. Schau‘ dir Russland an, wo nationalchauvinistische Faschisten nach wie vor gegen die Schwulen und Lesben vorgehen. Oder, so mein Berater weiter, schau‘ dir Polen an, wo die katholische Staatskirche es sich nach wie vor erlauben kann Schwule und Lesben zu verachten und zu diskriminieren! Na ja, denn bin ich ja beruhigt. Danke Kollege. Sei gegrüßt!
Was bedeutet das nun für mich und für unsere herrliche Horizontale Siedlungsgemeinschaft?
Ich fahre jetzt erst einmal nach Köln und besuche meine früheren schwulen Kollegen aus der Verbandsarbeit. Die herrliche Horizontale Siedlungsgemeinschaft will ich aber trotz der tröstenden Worte meines ehemaligen Kollegen von Rat & Tat über kurz oder lang verlassen. Möglicherweise werde ich wohl wieder dort landen, wo ich herkomme. Bei den Vertikalen. Gustav-Radbruch-Str. 17., 6.Stock, Neue Vahr Nord.
Donnerstag 16. September 2010
Katharina Loewe
Nummer ziehen
Abenteuer Fahrkartenkauf
Wie heisst es so schön: wenn du eine Reise machst, dann kannst du 'was erleben - oder so ähnlich. Bei mir fing das Erlebnis bereits heute bei der Reisevorbereitung an: Fahrkartenkauf im DB-ReiseZentrum. Schon beim Betreten des Zentrum konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine ausserordentlich bedrückte und angespannte Atmosphäre herrschte.Mindestens 30 Menschen saßen oder standen still in der großen Halle, einige liefen mit schwerem Reisegepäck unruhig in der Halle hin und her, andere wiederum hatten gelassen Hörknöpfe im Ohr. Auf der rechten Seite der Halle die Fahrkartenschalter, aufgereiht und mit Nummern von 1 bis 14 bestückt. Ca. 6 - 7 Schalter waren nur besetzt, auf den anderen standen große Schilder mit Hinweisen, dass hier zurzeit keine Bedienung ist - sah man ja! Auf die hochhängenden Monitore in der Halle hatte ich beim Eintritt gar nicht geachtet und ging davon aus, dass, wenn irgendwo ein Schalter frei wird, dass ich dann, wenn sich niemand anders vordrängelt, an den Schalter heran treten darf. Schalter 6 wird frei, ich also hin! Hinter dem Schalter ein robuster Mittvierziger im schicken DB-Anzug mit schicker roter DB-Krawatte. Er schaut mich strafend und abschätzig an und blöfft ein für alle Anwesenden hörbares: "Nummer ziehen !!" in den Saal. Ich zu ihm: Meinen sie mich, welche Nummer soll ich ziehen? Er:da! Und zeigt mit gestrecktem DB-Finger in die Richtung eines Kastens. Er: hier geht es der Reihe nach und nicht nach Schönheit! Na ja, das Idealbild eines Mannes war er ja nun gerade auch nicht, aber ich verbat mir selbst eine gleichwertige Retourkutsche. Ich kleinlaut: was muss ich denn da machen? Er wieder, fast militärisch: Nummer ziehen und oben gucken, wann sie aufleuchten! Wann ich aufleuchte? Nein, nicht sie, ihre Nummer und der Schalter! Im Saal fingen einige jetzt an zu maulen: ...das kennen wir ja, oder: typisch Frau..., oder: so tun als ob,usw.usw. Ich kam mir vor wie eine iranische Ehebrecherin und huschte zu dem Kasten. Zwei Knöpfe: International und National. Wohin wollte ich denn noch schnell reisen, ist das noch Deutschland? Ja, Deutschland,Bad Reichenhall, ist ja wohl noch Deutschland! Ich also National gedrückt. Aus einem Schlitz kommt die N438 heraus, die ich jetzt fest gedrückt in meine Hand nehme. Ich schaue hoch, welche Nummer gerade dran ist:
N412. Er vom Schalter rief mir noch zu: Siehste, geht doch! Ich setzte mich auf die Wartebank, atmete tief durch und war heilfroh, dass ich erst nächste Woche fahre. Bis dahin wird die N438 ja wohl dran gekommen sein!
Mittwoch 22. Dezember 2010
SCHNEETERROR 2010
Josef Fellstein kommt seinen Pflichten nicht mehr nach und weigert sich weiterhin am kollektiven Räumwahnsinn teilzunehmen.
Ob er damit allerdings durchkommt? Die erste nachbarschaftliche Anzeige oder der erste Ausrutscher vor seiner Haustür wird ihm wohl das Genick brechen!
Wohin das Aug' auch blicket in diesen Tagen: Schnee, Schnee, Schnee. Ich mag morgens schon gar nicht mehr aus den oberen Fenstern schauen. Die Schneematte hinten im Garten wird immer dicker, und vorne zur Straßenseite hin sind schon die ersten nachbarschaftlichen Schneebeseitiger am Gange.
Sie schieben, sie kratzen, sie fegen, sie streuen. Ja, einige haben bereits ihre Schubkarren aus dem Schuppen geholt und transportieren "ihren" Schnee auf die andere Seite und laden auf dem immer größer werdenden Gemeinschaftsschneehaufen auf der Straße ab, so, dass die schlingernden Autofahrer nur noch kaum durchkommen. Ich geb's ja zu, am Anfang war ich auch dabei beim kollektiven Schneebeseitigen. Bis mir bewußt wurde, dass es sich hier gar nicht um die ordnungsrechtlichen Pflichten ging, sondern um nachbarschaftlichen Reinigungswettbewerb. Mit zunehmender Schneemasse wuchsen auch die körperlichen und schneebefreienden Anstrengungen meiner Mitmenschen. Ja, wahre Kratz- und Schiebeorgien entwickelten sich. Fritz von Nummer 48 gegenüber entblößte sich bei 7 Grad minus sogar bis aufs weiße Feinrippunterhemd - so hatte er sich ins Zeug gelegt. Der Schweiß lief ihm nur so runter. Schweiß gibt zwar keine gelben Flecken im Schnee, aber immerhin löst sich der Schnee dort, wo die Schweißtropfen ankommen, auch auf.
Nee, dachte ich mir nach drei Tagen Dauerschnee und Dauerschneefegen, wozu das Ganze? Das ist doch Sysyphus! Ich schmeiß hin und laß' Schnee Schnee sein. Der Postbote ist pfiffig genug nicht hinzufliegen, dachte ich mir. UPS und DHL, das sind alles robuste Jungs, die vor nichts zurückschrecken. Den oder die Zeitungsausträger/in kenne ich ja sowieso nicht, so früh kommen die. Ja, so dachte ich mir, und wer soll schon sonst noch kommen? Die Zeugen Jehovas? Der Gemeindepastor? Laß' die doch, so dachte ich mir klammheimlich, hinfliegen! Meine Nachbarn links und rechts sind weit weg tagsüber und auch sonst.
Aber, so belehrte mich Jochen von Nummer 2, mit dem ich über meine Verweigerungshaltung sprach,du mußt dafür geradestehen, wenn bei dir doch mal einer auf die Schnauze fliegt. So sei die rechtliche Lage. Ja, wiegelte ich ab, rechtliche Lage bei der Wetterlage. Wer soll denn dagegen noch ankommen? Auch hier wußte Jochen eine Antwort. Ja, sagte er, der Deutsche Mieterbund, der hat beim Bundesgerichtshof ein Urteil durchgesetzt, dass du bei Dauerschneefall nicht schippen mußt. Aber du mußt dann nachweisen, dass die Extremwetterlagen vorgelegen haben! Bin ich denn bekloppt, so meine Reaktion, ich werde wegen Schnee auch noch 'nen Rechtsanwalt, der ohnehin schon bestens verdient, beschäftigen, oder was? Nee, so ich zu Jochen, das alles mache ich nicht mehr mit. Ich lass' der Natur freien Lauf und sehe zu wie ich durchkomme. Das kannst du, so Jochen, am Polarkreis machen, aber doch nicht hier bei uns in der rechtlich zivilisierten Gemeinschaft. Du mußt, so Jochen, der sich immer weiter in seine Rechtswissenschaften hineinsteigerte, wenn du selbst keinen Bock hast zum Winterdienst, für Vertretung sorgen. Wer soll mich denn vertreten, hier hat doch jeder selbst genug mit seinen langen Metern Schneeee zu tun! Du bist der Räumpflichtige und du bist der Streupflichtige, da führt kein Weg dran vorbei. Und wenn du nicht kannst oder willst, dann muß das in deinem Auftrag ein Anderer machen, so leid es mir tut mein lieber Josef. Mein lieber Josef, mein lieber Josef! Nein, ich will nicht mehr, so ich zu Jochen. Der konterte: der Streifen, den du freiräumen mußt, der muß mindestens 1,20 Meter breit sein, damit zwei normale Passanten aneinander vorbeigehen können, so die Rechtssprechung der Obersten Landgerichte Köln und Dresden. Köln und Dresden, ja gut, so ich, die haben ja auch ganz andere Schneeprobleme als wir hier. Dresden ist doch im Winter voll eingeschneit, da kommste du doch von außen gar nicht mehr rein ohne Schneeraupe! Und die Kölner müssen ihre Wege frei haben für ihre Veddelzüge, die ja schon im November anfangen.Und was heißt hier schon "normale Passanten"? Einige, die hier vorbeikommen, die brauchen alleine für sich doch schon 2 Meter!
Also, so Jochen, was ist denn nun, soll ich für dich fegen, schieben, kratzen, streuen - oder soll ich nicht? Ja, um Himmels Willen! Mach doch! Jochen: 7,50 € pro Einsatz! Wie 7,50? Jochen: Mindestlohn! Noch nie was von gehört?
Josef Fellstein
1/11
05. Januar 2011
Fellstein's Wintersüchte, ein Konvolut
Unser Mitherausgeber Josef Fellstein ist ja, wie hier zu lesen war, noch im alten Jahr frühzeitig in den Schneeräumboykott getreten. Dann kamen für ihn, wie für uns alle, diese endlosen Weihnachts- und Neujahrsfeiertage und eine weitere Verfestigung der Wintertage. Das alles hat ihn schwer mitgenommen. Mit diesem Beitrag will er sich befreien von den trüben Tagen und das alles nicht mehr wahrhaben. Hier sein schriftliches Konvolut:
Mann, Mann, Mann....ich kann das alles nicht mehr sehen. Wenn es um Weihnachten rum ja noch ganz schön war für's Auge mit dem Winter, dann reicht es jetzt aber wirklich. Ich sehe nur Grau in Grau bereits früh morgens, ich sehe nur dreckigen Restschnee auf den Straßen und vereiste Fußwegkanten und daneben liegend ausgerutschte Passanten. Ich sehe nur noch kleingeistige Kleinvögel: Meisen, Finken und Spatzen, die sich die hingeworfenen Sonnenblumenkerne aus dem Schneegemisch aus Himmlischem, Sandigem, Salzigem, Splittigem hinten im Garten und vorne im Eingangsbereich herauspicken. Gibt es denn keine großen Vögel mehr? Dazwischen diese Restflugkörper aus der Sylvesternacht, verschossen von Marco von gegenüber und von Sven von Nr. 6, der sonst so aussieht, als würde er noch nicht einmal einen Streichholz anzünden können. Aber Sylvester den Pyromatiker machen und anderer Leute Vorgärten konterminieren! Nee du, dazwischen überall noch glatte Stellen, so dass du immer Gefahr läufst auf die Schnauze zu fliegen. Und dann kommen auch noch - ja, ihr glaubt es nicht - gleich am Anfang des Neuen Jahres zwei Hausiererinnen an die Tür und klingeln und fragen, ob ich ein wenig Zeit hätte, um über einige Lebensfragen zu sprechen. Die ältere der beiden Hausiererinnen ein glatter in einen korrekten Mantel mit Halstuch gehüllter Grundschullehrerinnentyp, die andere ein junger knapp 18jähriger Mädcheninternatstyp. Und als ich sofort erkannte, dass es sich um zwei Entsandte der Zeugen Jehovas handelte, versuchte ich einigermaßen freundlich, was ich ja sein kann, deutlich zu machen, dass ich Atheist bin und kein Interesse an religiösen Haustürgesprächen hätte. Darauf hin die Grundschullehrerin: ob ich mich denn noch nie mit religiösen Fragen beschäftigt hätte. Das fragt mich diese mittelalte Verkniffene mit dem Mantel und dem Halstuch ohne Respekt gegenüber meinem Alter, ohne Respekt gegenüber meiner Lebenslaufbahn, ohne Respekt gegenüber meinem Heimrecht. Wäre ich nicht manchmal so ein besonnener Mensch und anerkannter (3 Instanzen) gewaltloser Kriegsdienstverweiger, der im Jahre 67 aus religiösen christlichen Gewissensgründen im Bundrswehrdienst den Dienst mit der Waffe verweigert hatte, ich hätte ihr, na, sagen wir einmal freundlich: eine reinhauen können, oder sagen wir es noch freundlicher: sie in den dreckigen Schneeberg vor dem Garagentor den Russen zum Fraß hinschmeißen können. Ich beherrschte mich aber, wie es ja meine Art ist, und konterte, bevor ich meine Haustür von innen schloß, nur noch mit dem Hinweis, dass ich wieder rein müsse, da ich gerade den Teufel und einen wahrhaftigen Engel zum Früstücksbesuch im Hause hätte. Die junge Hausiererin sagte noch: Ach so, dann wünschen wir noch einen schönen Tag.
Einen schönen Tag! Einen schönen Tag! Schöne Tage sind etwas anderes!
Je mehr Altschnee und Zeugen Jehovas ich zurzeit sehe, desto größer werden die Sehnsüchte, die Sehsüchte und die Seesüchte in mir.
Warum hau' ich eigentlich nicht einfach ab nach Afrika in die Sonne oder zumindest nach Portugal oder Italien , wo es ja meistens auch immer warm sein soll. Endlich keine kalten Füße mehr nachts. Endlich wieder bei geöffnetem Fenster schlafen können, ohne dass dir die Eisvögel und die Schneeeulen (einige der wenigen Wörter mit 3 e hintereinander!) ins Schlafzimmer kommen. Was wäre das schön jetzt im australischen Sommer. Gut, die haben Wasser - aber einfrieren wie meine Dachrinne wird das nicht!
Ach, könnte ich doch los ins Licht! Es muß ja gar nicht so weit weg sein: ich fliege wie Werder in die Türkei. Da war ich zwar noch nie. Aber wenn die Intelligenzbolzen von Werder da zurechtkommen, dann werde ich das ja wohl auch noch raffen. Ich muß ja nicht rennen wie Rosenberg und Almeida, ich stell' mich einfach hinter's Tor von Timmi, Welttorwart Nr. 1, und schau' ihm beim Training zu, wie er die Dinger oben aus dem Winkel rausfischt und hinterher noch den doppelten Rittberger macht. Ach, könnte doch das Auge sich erholen. Keine Zeugen Jehovas sehen, keine Teufel, keine Engel. Echte Sehsüchte kommen in mir hoch. In Viareggio im Cafe Alpi Apuani sitzen und den hübschen italienischen Jungs und Mädels auf ihren geilen Motorrollern nachkucken. Durch Venedig über die Brücken wandern und die Fische im glasklaren Wasser der Kanäle beim Schwimmen betrachten. Oder nach Lissabon fliegen, hoch fahren mit der alten Straßenbahn in die Alfama und einfach nur runter schauen auf den Tejo. Im Hintergrund singen Amalia und Mariza gemeinsam das schöne Fado-Lied: Oh minha terra...
Oder auf so 'nem Dampfer sitzen, an der Rehling und einfach nur rauskucken auf See, auf die Karibik, auf den Pazifik, auf den Indischen Ozean, auf das Brasilianische Meer. Soll auch schön sein, so jedenfallssieht man es ja im Fernsehen bei Traumschiff. Und dann nach dem Kucken an der Rehling zum Kapitänsdinner. Zum Schluß dann immer diese Eisbombe mit dem Feuerwerk drauf. Muß für mich aber nicht sein, das habe ich ja hier zu Hause auch.
Na ja, von all dem wird wohl nichts werden: ich muß raus, fegen, es schneit wieder und ich habe bereits eine Verwarnung der Polizei wegen Verletzung der Winterpflichten. Mein Nachbar von Nr. 2, der mir Hilfe versprach, ist kurzfristig nach Gran Canaria geflogen. Eine vollverhüllte andere Nachbarin ist samt ihrer Burka vor meinem Haus ausgeglitscht und hat Anzeige erstattet.
Es klingelt. Der Dorfpastor macht seine Neujahrsbesuche. O Gott, o Gott.
Josef Fellstein
14/11
Montag 14.März 2011
KIKERIKI, KIKERIKI - BLUT AM KNIE
Über die Bücher- und Zeitschriftenwelle zum Thema: Landleben
Das Land hat Konjunktur. Zumindest in der bürgerlichen Mittel- und Oberklasse. Hochglanzpolierte Zeitschriften mit den Abbildungen von schönen Bauerngärten, Anleitungen zum Anlegen von Frühbeeten, Berichten über lebendige Düngerspender wie Gülle, Jauche und Stallmist, mit aktuellen Rezepten für schmackhafte Bärlauchspeisen, mit Reportagen von glücklichen Hühnern und Hähnen, schönen Fotostrecken von ruhigen Orten umgeben von Natur, nostalgischen Bildern aus Omas Küche und Lobpreisungen des Frauenmantels, der Schafgarbe und des Gänsefingerkrautes als heilsame Frauenkräuter, sowie mitten aus dem wahren Landleben gegriffene Reportagen wie "Mit der Tierärztin unterwegs" wetteifern mit neuen Landkochbüchern, verklärenden drittklassigen Landromanen, sonnenuntergangsgeschwängerten Landbildbänden und vielen Sendungen in Radio und Fernsehen, wie z.B. Landpartie mit Heike und ihrem Fahrrad vom NDR.
Der Konjunktur müssen sich selbstverständlich auch Journalisten und Autoren anpassen, die den kritischen Landblick und den furchtlosen Gegenwind vertreten. So kommen aus diesem Winkel jetzt auch reihenweise Bücher und Veröffentlichungen, die die scheinbare Idylle zerstören wollen. Sie bezweifeln, dass Landleben überhaupt noch stattfindet. Alles sei nur Klischee und verlogen. Sie sprechen von Landflucht und Landfluch, von Verödung der Dörfer und davon, dass nur noch dumme Männer in den Landgemeinden zurückbleiben. Auch von einer zunehmenden Verpufffisierung auf dem Lande wird berichtet, von mobilen Bordellen und sexuellen Entgleisungen. Ja, so fragt sich der Berichterstatter, was denn nun? Das Land - Idylle oder Puff? Und, so fragt er sich weiter, welche Relevanz hat die Frage für die städtischen gesellschaftlichen Gruppen, die sich noch nicht einmal einen Ausflug aufs Land leisten können, geschweige denn wohl niemals aus ihrem angestammten städtischen Armutsstadtteil herauskommen werden, und die ihr Leben einrichten müssen nach dem Motto: Kräht der Hahn auf dem Mist, geht Hartz in'n Puff und alles bleibt, wie es ist.
Exemplarisch für die Leser und Leserinnen, die sich bisher mit dem Thema noch nicht befasst haben, weil ihnen das Thema bisher am Pferdearsch vorbei gegangen ist, kann die Redaktion empfehlen:
a) Mein schönes Land / Gutes bewahren / Schönes entdecken / BURDA SENATOR VERLAG
b) Axel Brüggemann: LANDFRUST / Ein Blick in die deutsche Provinz / Kindler
Rechtes Bild oben
LANDIDYLL an der B 75 bei Bassen (1952 - 1961) / Flüchtlingsunterkunft unterm Dach / 2 Eltern / 4 Kinder / 3 kleine Zimmer. Klo (Donnerbalken) hinten auf dem Hof bei den Schweinen. Wir Kinder waren den ganzen Tag draußen und durften völlig verdreckt und mit blutigen Knien abends, wenn der Vater von Borgward nach Hause kam, in die "Wohnung" zurück. Wegen der blutigen Knie und der grasgrünen Kleidung gab es dann meistens noch "Arschvoll"
Dienstag 17. August 2010
POESIE
heute: Alberto Caeiro
Der Hüter der Herden
XLIII
Lieber ein Vogel, der vorüberzieht und keine Spur hinterläßt,
Als ein Tier, dessen Spur sich dem Boden einprägt.
Der Vogel fliegt vorüber und vergißt, und so muß es sein.
Das Tier zeigt, auch wo es nicht mehr ist und daher nutzlos,
Daß es schon da war, was ebenfalls nutzlos ist.
Erinnern ist ein Verrat an der Natur,
Denn die Natur von gestern ist nicht Natur.
Was gestern war, ist heute nichts, und erinnern heißt nicht-sehen.
Zieh vorüber, Vogel, zieh vorüber und lehre mich vorüberziehen!
Alberto Caeiro ist eines der Heteronyme von Fernando Pessoa
Sonntag 05. Dezember 2010
F & U am Sonntag
STILLE BEDTRACHTUNGEN ZUM VORWEIHNACHTLICHEN HÄUSER- UND FENSTERLICHTERGLANZ
von der Lyrikerin unserer Redaktion: Katharina Loewe
DANKE DIR ELEKTROHIRSCH
Ach ist das gut
Wenn allerorts
Das Herz
Sich öffnen tut
Wenn in den Fenstern
Und an Fassaden
Lichterspiel und
Weihnachtliches Leuchten
Uns' Augen tun befeuchten
Wie schön ist doch
Zu sehen und zu spüren
Dass bald nun Jesum
Stehet vor den Türen
Vor dem Hause
In der Reihe
Brunfet nun in aller Pracht
Ein Leuchtehirsch
Mit seihenem Geweihe
Im Garten hinten
Überdisimensional
Nikolas der Weihnachtsmann
Und locket alle Blicke an
Und drinnen in den Weihnachtsstuben
Weilen brave Mädels
Und auch Buben
Nüsschen tun sie hacken
Wollen Plätzchen für die Mutti backen
Ach, ganze Häuser
Finden sich im Lichterkleid
Himmlisch eingehüllt in
Tausende von Lumen
Leuchten sie für alle
Menschen weit und breit
In Habenhausen und woanders
Stehen staunend
Tausend von Passanten
Vor den schönsten
Der Benannten
Ach, Seele du
Die in mir ruhet
Erfreue Dich des Glanzes
Danke Dir Elektrohirsch
Und Danke Dir
Du roter Stern
Ach wie hab'
Ich doch
Die Weihnachtzeit
So gern
8/11
Montag 31. Januar 2011
AMÜSIERFASCHISMUS
Gott sei Dank. Die Woche fängt gut an für mich. Mein Medienberater, der mir regelmäßig gleich am Anfang der Woche montags um kurz nach 8 im Nordwestradio sagt, was gut war und was schlecht war in den Medien, hat mich heute früh freigesprochen von jeglicher Mitschuld am Amüsierfaschismus. Denn ich habe mir nicht eine Sekunde Dschungelcamp angeschaut. Weiß also gar nicht, worum es geht. Ich hab' damit nichts zu tun, ich bin fein raus!
Alle anderen, die sich schämen sollten, können sich ja einmal nachträglich anhören, was unser Medienexperte an Abscheu und Ekel über die Welle gebracht hat. Besonders gut zuhören sollten die so genannten seriösen Journalisten des Feuilletons, denen Herr Hörisch den Vorwurf des Mangels an klarem Bekenntnis gegen die Dschungelsendung macht, und die sich von ihm die Frage gefallen lassen müssen, weshalb sie sich überhaupt mit diesem Dreck beschäftigen. Hörisch sagt klipp und klar, dass das, was da gezeigt wird, sich einfach nicht gehört, und dass es keinen Grund für Journalisten gibt, darüber auch noch zu berichten! Aber hört selbst, hier:
http://www.radiobremen.de/mediathek/index.html?sendereihe=54
16/11
Dienstag 22. März 2011
Mein Zelt, mein Zelt, mein großes grünes Zelt
oder: Bitte schmeißt mir keine Bombe rein
Gerade an Herrn Wecker in München folgenden Kommentar zum unten stehenden Beitrag gepostet:
Lieber Herr Wecker, wie wär's mit folgendem Lied:
Mein Zelt, mein Zelt, mein großes grünes Zelt -
von hier aus, bitte schön, verarsche ich die ganze Welt.
Nur bitte, ich bitt' euch liebe Leut',
schmeißt mir keine Bombe rein,
das könnte dann mein Ende sein.
2.Strophe: Mein ...Volk, mein Volk, mein dummes grünes Volk -
das ist mir, bei Allah, so was von muhmuh und lala.
Refrain: Nur bitte, ich bitt' euch liebe Leut',
schmeißt mir keine Bombe rein,
das könnte dann mein Ende sein...
Liebe Grüße Ulrich Pelz, Bremen
Konstantin Wecker
Liebe Freunde
Bin auf dem Weg nach Wien und fand diesen Artikel sehr interessant - als Kontrapunkt zur allgemeinen Berichterstattung
Bomben treffen Zivilisten: Internationale Kritik an westlicher Militärintervention in Libyen wächst.
28/11
Dienstag 27.September 2011
SENSATION
Es gibt ihn tatsächlich auch noch in Deutschlan
DER UPUPA LEBT
http://www.spiegel.de/reise/deutschland/0,1518,786664,00.html
Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der bringt der Braut 'nen Blumentopf, fiderallala, fiderallala, fiderallalallala. Der in der "Vogelhochzeit" besungene Wiedehopf hat weit mehr zu bieten als einen Blumentopf. Ein ziemlich beeindruckendes Aussehen nämlich. Mit seinem langem Schnabel, dem rötlichen Oberkörper, den schwarz-weißen Streifen an Flügel....mehr lesen bei SPIEGEL.ONLINE
Wir wurden von Manfred Willi Reichert aus Visselhövede über facebook auf den Artikel bei SPIEGEL.ONLINE aufmerksam gemacht. Dafür ein Herzliches Dankeschön. Wir haben uns in der Redaktion spontan entschieden, sofort im nächsten Frühjahr zum Kaiserstuhl zu fahren, um unseren "Symbolvogel" in Augenschein zu nehmen, ihn zu fotografieren und ihn, wenn möglich, auch zu interviewen. Das Interview soll Josef Fellstein vornehmen, er kann Vogelstimmen. Auch freuen wir uns bereits jetzt auf eine schöne Runde in einem dieser kleinen Weinstübchen im Kaiserstuhl. Wir wollen Manfred Willi Reichert aus Visselhövede einladen, an der Wiedehopf- und Weinreise teilzunehmen.
Uli Pelz (upz)
Nr. 13/12
Dienstag 03.Juli 2012
STUNDENGEDICHT
ZWISCHEN 11 und 12
von Uli Pelz
Eine E-Mail kommt an aus Unna
Die Mutter ist doll krank
Was Wunna bei Blut Zweihunna
Auch mit den Küchen
Ist es absolut zum Flüchen
Der Kunde ist mal wieder König
Für den Profit da nutzt das wönig
Wir machen Urlaub auf dem Schiff
Und hoffen auf kein Riff
Ein Anruf kommt an aus Gütersloh
Ich hätte noch kein Buch bestell
Zur Strafe schicken sie mit DHL
Lektüre für das Wasser-Klo
So ginge das mit mir nicht weiter
Als Mitglied sollt ich sein konsumbereiter
Hab dann gleich, quasi aus dem Stand
Angefordert diesen populären Band:
Kochen und Backen wie auf dem Land
Ein Brief kommt an aus Pinneberg
Die Lieferung wird sich verzögern
Wir bitten um Entschuldigung
Der menschengroße Gartenzwerg
Erfährt die allergrößte Huldigung
Engpass, Stau und Frust im Zwergenwerk
Sind leider nun die log'schen Folgen
So dass Ulli, der bestellte Zipfelmützenmann
Bei Ihnen kommt wohl später an
17.März 2010
2 Rollen Absperrband in Bremen gefunden,
oder: Honigpumpe am Arbeitsplatz
Von unserer Kunstredakteurin Katharina Loewe
Plötzlich lagen sie vor mir. 2 niegelnagelneue Rollen rot-weißes Absperrband, in Höhe Osterdeich / Altenwall. Nun kann man fragen: Ja, und? Was interessieren 2 Rollen Absperrband? Wird wohl jemand verloren haben! So einfach wollte ich mir die Sache aber nicht machen, zumal mir spontan einfiel, dass rot-weißes Absperrband ja wohl eine enorme gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung hat.
Welcher Schaden könnte möglicherweise entstehen, wenn ich die beiden Rollen einfach liegen lasse und sie nicht als Fundsache melde, so ging es mir durch den Kopf. Also griff ich mir die Fundstücke und verstaute sie erst einmal in meinem Rucksack mit der großen Wolfstatze drauf – nicht um sie mir heimlich anzueignen, sondern um zu Hause in Ruhe darüber nachzudenken, wie ich mit den Dingern weiter verfahren will. Gesagt, getan. In meiner Single-Wohn- Küche legte ich die beiden Schmuckstücke auf den Wohnküchentisch und betrachtete sie still und kontemplativ. Sofort erfüllten mich die beiden Rollen mit sehr assoziativen Bildern. Dieses Rot und dieses Weiß in unterschiedlich zusammen gelegten Positionen erzeugt in der Tat heftige Farbphantasien, und nicht nur diese. Wie würde es sein, wenn sie nun auch noch ausgepackt und ausgerollt vor mir lägen – wäre die Sinnlichkeit dann nicht noch um ein Weiteres gesteigert. Ich musste mich sehr beherrschen, es nicht zu tun. Nun erinnerte ich mich wieder an meine sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtungen als Finderin von Fundstücken. Du musst die Bänder abgeben, so disziplinierte ich mich selbst. Nur wo, bei wem? Ich rief, nachdem ich die Telefonnummer in dem roten Bremer Behördentelefonbuch, das ich kurzfristig meiner Bekannten Claudia ausgeliehen hatte (nach 8 Monaten hatte sie es mir zurück gegeben), gefunden hatte, noch von meinem Wohnküchentisch aus mit meinem mobilen Telefon beim Fundamt an und meldete die Fundsache. Hier wurde ich allerdings in sehr unästhetischer, verständnisloser Weise abgefertigt. Ich könne die Rollen ja vorbei bringen, „wir legen die dann in der Kammer Kleinfunde ab, wo die Sachen jahrelang nicht abgeholt werden“. Ob es nicht besser sei, so die Fundbeamtin, die „Plastikdinger“, wie sie die Bänder respektlos nannte, einfach in den gelben Sack zu packen und von der Abfuhr mitnehmen zu lassen. Eine andere Möglichkeit sei, dass ich eigene Ermittlungen aufnehme bei relevanten Absperrbandnutzern. Sie nannte als mögliche Adressen: Polizei, Parkplätze (z.B. Weser-Stadion), Baustellen und andere schnöde Adressen. Ich beendete das schnöde Amtgespräch mit den Worten: ja, ja, will mal sehen. Und dabei schoss mir wie eine göttliche Eingebung in den Kopf, dass wir in Bremen doch einen Rot-Weißes-Absperrband-Künstler unser eigen nennen können. Jetzt sah ich die Events des Künstlers wieder vor mir – ich hatte sogar vor Jahren in dieser Zeitung darüber geschrieben. Nur sein Name wollte mir so schnell nicht ins Gedächtnis kommen, obwohl ich doch für mich in Anspruch nehmen kann, die Kunstszene hier in Bremen einigermaßen gut zu kennen. Gab es nicht irgendein besonders äußeres Kennzeichen, das mir die Namensfindung erleichtern könnte. Nein, lange grübelte ich, mir erschien nichts. Dann am nächsten Morgen der persönliche Aha-Effekt: Fahrrad, Mütze, Aktentasche, Jackett. Ich rief ihn sofort an. Kann schon sein, dass ich die Dinger verloren habe, so sein Reflex – wahrscheinlich auf dem Weg Baustelle Weser-Stadion zurück mit dem Fahrrad auf dem Osterdeich in mein Heimatdorf. Er habe an der Ampel Altenwall scharf bremsen müssen, weil gerade der Bus mit der Marine-Kapelle aus Wilhelmshaven vorbei fuhr. Dabei seien ihm die Rollen wohl aus der offenen Gepäcktasche gehüpft. Er habe den Verlust gar nicht bemerkt, weil er inzwischen so viele Rollen zu Hause lagerte, da käme es auf ein oder zwei nicht an. Ich solle doch selbst damit etwas Künstlerisches machen. Denn schließlich habe Josef Beuys schon gesagt: Alles ist Kunst, sogar die Honigpumpe am Arbeitsplatz. Bitte?
Mittwoch 10. November 2010
MARIZA VERZAUBERT IN LEVERKUSEN
Katharina Loewe berichtet von den Leverkusener Jazztagen
Oh, gente da minha terra
Zum erst Mal in meinem Leben reise ich nach Leverkusen. Leverkusen, was dachte ich immer dabei? Eigentlich immer nur: Bayer Leverkusen, Aspirin. Oder: Bayer Leverkusen, Rudi Völler und Rainer Calmund. Leverkusen, das stand bisher auch immer für: Vorsicht an Gleis 5 oder Vorsicht an Gleis 2, Schnelldurchfahrt eines Fernzuges. Auf den Fahrten nach Köln oder weiter in den Süden immer volles Tempo mit dem ICE oder dem IC durchgerauscht. Im Blick zurück blieben immer die riesigen Straßenbeleuchtungen für das Autobahnkreuz, die Flutlichtmasten für das Stadion und dieses überdimensionale Bayerkreuz vor den Bayerwerken.
Nun also bin ich nach dem Umsteigen in Düsseldorf ausgestiegen in Leverkusen. Mein Ziel: die 31. Leverkusener Jazztage und der Auftritt der inzwischen zur Portugiesischen Nationalheiligen gewordenen Sängerin Mariza, der legitimen Nachfolgerin der legendären Amalia Rodrigues. Und tatsächlich: schon kurz nach dem Aussteigen aus der S6 wieder dieser Warnruf durch die Lautsprecher des kleinen Leverkusener Bahnhofs. Vorsicht an Gleis 5, Schnelldurchfahrt eines Fernzuges. Und schon rauscht wie ein Pfeil der nächste ICE nach Köln durch. Also, ich war abgestiegen in der tiefsten Rheinischen Provinz. Mein Fußweg durch die „Innenstadt“ vom Bahnhof zu meinem Hotel bestätigte den Provinzeindruck. Nichts städtisch Gewachsenes, alles neu und künstlich, irgendwie ohne Charme, ohne Flair. Ganz Leverkusen eine künstliche Einkaufsstadt, nicht viel anders als andere deutsche Provinzstädte. Eine Einschränkung: Der Italiener, bei dem ich nach meinem Hotelbezug aß, Mille Lire, mitten drin in dieser Einkaufsstadt, große Klasse. Mein Herausgeber würde urteilen: mindestens 6 von 7 möglichen Gummiadlern. Aber wir wollen hier ja nicht über Gummiadler reflektieren, sondern über die Jazztage und über Mariza.
Wie passt das zusammen: Jazztage und Portugiesischer Fadogesang? Ganz einfach: Die Leverkusener Jazztage, die seit 30 Jahren von einem eifrigen Verein, von vielen potenten Sponsoren – natürlich unter anderen auch Bayer – und dem WDR, der alles aufzeichnet, in dieser Rheinischen Kleinstadt veranstaltet werden, stellen die 10 Jazztage, die immer im November stattfinden, jedes Jahr unter ein anderes Thema. In diesem Jahr stand die Gitarre im Mittelpunkt. Und wer die Musik von Mariza kennt, der weiß natürlich sofort, dass neben der grandiosen Stimme die wunderbaren Portugiesischen Gitarren die Schönheit dieser Musik ausmachen. So traten dann am Tag vor dem Auftritt von Mariza, also an meinem Ankunftstag in Leverkusen, die ehemaligen und vielleicht ja auch noch jetzigen Gitarrengötter Paco di Lucia & Band sowie Al Di Meola & Band im Forum Leverkusen, dem Veranstaltungsort, auf. Bereits hier konnte ich beobachten, dass die Konzertbesucher aus allen Teilen des Westens nach Leverkusen anreisen, sogar Nummernschilder aus Holland, Belgien und Frankreich waren zu sehen!
Das Forum Leverkusen. Offensichtlich auch ein Ding von Bayer. Ein schwarzer Rundbau direkt an der Autobahn und an der Bahnstrecke. Direkt nebenan das Hotel Best Western, in dem ich gewohnt habe für zwei Nächte. Über dieses Hotel hätte ich einen eigenen Bericht anfertigen können, will darauf aber verzichten zu Gunsten des freundlichen und bemühten Rezeptionsmitarbeiters, der mittags dort war, der abends dort war, und der am nächsten Morgen wieder da war. Auf jeden Fall bin ich heil wieder herausgekommen aus dem Hotel und hatte sogar noch das Vergnügen, am Abreisetag der Künstlerin, die auch in dem „Hotel“ wohnte, am Frühstücksbufett zu begegnen. Kommen wir zurück zum Forum Leverkusen. Dieser Mehrzweckbau, in dem auch die Leverkusener VHS und weitere Einrichtungen untergebracht sind, ist ein tolles Konzertgebäude. Im Zentrum ein unbestuhltes Terrassenforum, in dem die Hauptkonzerte stattfinden, daneben mehrere kleine Clubräume für kleinere Events.
Im Forumssaal auch Gastronomie, alles was das Herz begehrt. Von einer geordneten Konzertorganisation, sagen wir einmal: wie in der Bremer Glocke, kann hier nicht die Rede sein. Vorne die hochprofessionelle Bühne, dann terrassenartig Stehplätze für ca. 2000 Besucher, hinten und seitlich: Sekt, Bier, Wein, Brezel und Brötchen. Alles läuft durcheinander, alles quatscht durcheinander, alles fließt, alles ist in Bewegung. Wie soll hier ein Konzert eines Weltstars ordentlich ablaufen?
Dafür sorgt die Künstlerin selbst. Nach dem Vorkonzert von Carmen Souza von den Kapverdischen Inseln, jetzt Mariza. Sie zieht sofort alle Blicke und alle Aufmerksamkeit auf sich allein durch ihren Auftritt. Eine kleine, schmächtige Frau, die sich auf hohe Plateauschuhe stellt und sich in weite Kleider hüllt. Die Haare kurz geschnitten und lockig blond gefärbt. Die ersten Töne, die sie durch die hervorragende Tontechnik in das Forum hinüber, herunter, hinein singt, fesseln alle sofort. Die Gitarrenklänge ihrer drei Spitzengitarristen untermalen von Anfang an mit diffiziler Intensität den unvergleichlichen Gesang dieser Sängerin. Alle, wie ich, die ihre letzte CD in- und auswendig kennen, waren sofort ergriffen von den Liedern. In den ersten Reihen standen offensichtlich viele junge Portugiesinnen und Portugiesen, die sofort auf Portugiesisch mit ihrem Heiligtum kommunizierten. Es fehlte eigentlich nur noch die Nationalflagge, und alles wäre gewesen wie bei dem großen Konzert vor einigen Jahren im Nationalpark von Lissabon. Über zwei Stunden wunderbare Musik, perfekt vorgetragen mit großem technischen Aufwand, wohl eine Notwendigkeit bei Fernsehaufzeichnungen. Alles ist demnächst im WDR zu sehen. Ich werde es mir sicherlich anschauen, ich kann von dieser „Volksmusik“ nicht genug bekommen. Ich könnte nach diesem Konzerterlebnis doch glatt zur Portugiesin werden und demnächst mitsingen, wenn es von Mariza wieder heißt: „ Oh, gente da minha terra“ (Oh, Menschen meines Landes“).
5/11
Montag 24.Januar 2011
KOMPONISTEN OHNE KOPF UND DIE AMERIKANISCHE OPER
wie Krach zu Musik wird
Axel Brüggemann erklärt es
"Schon das Urzeitbaby hat wahrscheinlich genauso nach seiner Ma-ma gerufen wie wir alle. Wenn Menschen Namen rufen, tun sie das nämlich meist mit den gleichen Tönen. Wenn du auf dem Schulhof Pe-ter oder Ma-rie schreist, benutzt du automatisch den gleichen Tonabstand zwischen den einzelnen Silben. In der Sprache der Musik nennt man den Abstand zwischen zwei Tönen Intervall." (A.Brüggemann)
Der Buchbesprecher hat schon beim Anfassen des Buches und beim ersten Durchblättern einen guten Eindruck von dem Buch. Die Einbanddeckel sind sehr stabil, ja fast hart. Sie sollen ja auch wohl mehrere nächste Generationen durch wechselnde Schülerhände gehen. Innen schönes Papier mit gutem Zeilenabstand und lustigen graphischen Auflockerungen. Genau richtig gemacht für die Augen von Kindern und Jugendlichen. Ja, es ist ein Lehrbuch, ein Musikgeschichtsbuch für Musikschülerinnen und Musikschüler. Liebevoll gemacht und mit einer kind- und jugendgerechten Sprache. Der erwachsene Musiklaie denkt sofort: ach hätte es doch früher in der Mittelschule Achim so ein wunderbares Buch gegeben, dann hätte Wilhelm Petersen in seinem primbesudelten Anzug mit der Geige in der Hand beim Einstudieren von Das Wandern Ist Des Müllers Lust nicht immer rufen müssen: Uli, du brummst, hör' auf zu singen - oder raus! Auch denkt der Musikdilletant sofort beim Queranschauen des Buches: ach, so war das mit der Entwicklung der Musik in den letzten Jahrhunderten. Der Dilletant ist ja ein heimlicher Musikliebhaber, ja fast ein Romantiker der Musik, denn bei schönen Melodien, die ihm gefallen - egal, ob Rock, Klassik, Indipendent, Fado oder Blasmusik von La Brassbanda - kommen ihm die Tränen. Ist das nicht furchtbar? Und hier in diesem Buch wird das nun alles erklärt. Die Emotionen der Musik, die Techniken, die Kommerzialisierungen, die Künstler, das Studium und das Üben, Üben, Üben. Also, das Buch ist schön und der Musiklaie hier, auch der erwachsene, wird beim Lesen noch einmal zum Musikschüler. Das wird ihm auch verwandtschaftlich bei den nächsten Familientreffen weiterhelfen. Denn nach dem kompletten Studium des Buches wird er sicherlich mit der Schwägerin Nr.1, einer Opernsängerin, Kirchenmusikerin (im ländlichen Hemelingen), Hochschullehrerin für Musik und Chorleiterin besser und schlauer musiktheoretisch smalltalken können. Auch wird er vor der Schwägerin Nr. 2, einer äußerst aktiven Klavierlehrerin (im ländlichen Ottersberg) nicht mehr so blöd dastehen, wenn es um Liszt und Chopin geht. Wer von den beiden hatte denn nun was mit George Sands auf Mallorca? Ich muß noch einmal nachschlagen bei Axel B. Und zu guter Letzt werde ich nach der Lektüre des Buches nun auch meinem Schwager Nr.1, einem Konzertgitarristen und Musiklehrer an der Waldorfschule ( im ländlichen Osterholz-Tenever) Paroli bieten können, wenn er mir verklüsern will, dass Cervantes einer der größten Flamenco-Gitarristen des Spanischen Königreiches war. Nun gut, bei anderer Gelegenheit auf einem anderen Sender (fängt mit einem kleinen f an) wurde vom Musiklaien ja bereits die Frage gestellt, ob die unterpriveligierten und unterversorgten Jungs und Mädels, die jetzt ja von Uschi von der Leyen demnächst alle Musik und Sport verordnet und bezahlt bekommen sollen, mit diesem Buch auch etwas anfangen können. Der Laie sagt: in Einzelfällen sicher, für die Jugendlichen aus diesem gesellschaftlichen Armuts-Spektrum, die mit Musik und Kultur in Berührung gekommen sind. Der Großteil dieser Gruppe allerdings, lieber Axel, der den Zugang zu Büchern bisher überhaupt noch nicht gelernt hat; der nicht weiß, wie er den Monat existenziell überstehen soll, wie es in der Zukunft weitergehen soll - dieser Großteil der armen Kinder und Jugendlichen (und Bremen liegt hier im Gegensatz zu Pisa ganz oben an der Spitze) wird sich wohl kaum für dieses schöne Buch interessieren lassen. Schade, aber das ist die gesellschaftliche Wahrheit bei uns! Der musikalische Laie und Dilletant wird wohl das Buch eher seiner Schwipp-Verwandtschaft empfehlen, damit sie es selber lesen und damit sie es ihren Schülern weiterempfehlen können, und damit die Kunst, die Musik und die Kultur in diesen teils heiteren und teils finsteren Zeiten nicht untergehen!
Uli Pelz (aus dem ländlichen Pusdorf)
11/11
Dienstag 08. Februar 2011
ALTE KAISER
Konstantin Wecker zu den Ereignissen in Ägypten
heute auf facebookgypten
Ja, es ist soweit. Darauf haben wir lange gewartet. Endlich einmal wieder schöne Volksaufstände überall. Seit 89, dem "Wir sind das Volk" in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone, mussten wir schmachten und uns mit Liebesliedern, Kinderopern, belanglosen Filmmusiken und Operetten über Wasser halten. Jetzt können wir wieder revolu...tionär loslegen, die alten Kaiser herausholen und neue Kampflieder für das ägyptische, tunesische, jemenitische, algerische Volk trällern. Und hoffentlich bald auch für den gesamten Rest des arabischen und afrikanischen Teils der Erde. Darauf haben diese Menschen doch nur gewartet, dass wir Ihnen in ihrem Freiheitsdrang mit unseren Liedern unter die Arme greifen! Oder? Oder sollten wir vielleicht die Finger davon lassen? Haben die nicht ihre eigenen Lieder dort, wo sie auf die Straße gehen? Haben die möglicherweise ncht sogar intelligente Lyriker und Schriftsteller, Kulturschaffende - Menschen, die ihre eigenen Freiheitstexte und Freiheitslieder herstellen können?
Ulrich Pelz
heute auf facebook
(ÄGYPTEN & WIR)
Liebe Freunde!
Hier meine Notizen zu den großartigen Ereignissen in Ägypten, speziell dazu, was das eigentlich mit uns im Westen zu tun hat. Währenddessen wird in
Kairo schon wieder massenhaft demonstriert! Ich hoffe, die Leute machen weiter, bis Mubarak endlich weg ist - und... wir machen bald mit!
Servus, Euer Konstantin
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Nr.24/12
Dienstag 20.November 2012
BUSS- UND BETTAG 2012
Morgen ist Buß- und Bettag. Wir haben bereits die Liste unserer 7 Untaten eingereicht und hoffen auf die Absolution. Hier unser Sündenregister:
1. Den glorreichen Heimwerker- und Selbstbauaktivitäten der männlichen Nachbarn nicht genügend Beachtung und Lob geschenkt
2. Den ärztlichen Hinweisen zuwider zu wenig Fahrrad gefahren und zu wenig Nordic Walking mit Stöcken hinterherziehen betrieben. Stattdessen zu fett
gegessen!
3. Die Bemühungen der Bremer GRÜNEN um eine fahrradgerechte Stadt verächtlich gemacht und nie an der Fahrradzählstation vorbeigefahren. Auch die
Ponykarussells nicht boykottiert, was uns nachträglich noch leid tut, da inzwischen ein Pony tot ist.
4. Einer amtsgerichtlich bestellten Betreuerin für eine pflegebedürftige ältere, demente Dame nicht den ausreichenden Respekt gegenübergebracht und
keinerlei eigene Verantwortung übernommen. Stattdessen nur respektlose Bemerkungen und Kommentare!
5. Die Resolution der IWG Woltmershausen gegen die Schließung von Polizeirevieren in Bremen nicht unterschrieben mit der Begründung, dass die Menge von
Polizeirevieren keinen Einfluss auf die Menge von Straftaten habe. Auch den Zusatz: "Wir wollen ja schließlich nicht in einem Polizeistaat leben"
hätten wir uns durchaus ersparen können!
6. Sozialdemokratischen Ortsamtsleitern, Beiratsmitgliedern und Abgeordneten wegen ihrer Auftritte in den Sozialen Netzwerken kritisch
gegenübergestanden. Wir haben dabei leider die Regel missachtet, dass Sozialdemokraten in Bremen machen können, was sie wollen - und sei es sexistisch
oder rassistisch im Internet posten!
7. Bereits nach Ablauf der Saison 2011/2012 für eine Veränderung des Managements beim glorreichen Sportverein Werder Bremen plädiert. Und was ist dabei
herausgekommen: Arnautovic, Elias, Allofs...Wir schämen uns und bitten um Vergebung!
Der Wiedehopf
Literatur. Texte. Prosa. Lyrik. AurorInnen. Besprechungen. Ankündigungen. Berichte.
3.Mai 2010
1. Mai-Demonstration auf dem Domshof in Bremen
Ulrich Pelz war seit langer Zeit einmal wieder da
Fehlte nur noch das kleine Riesenrad und der Happy Sailor und der Kleine Freimarkt wäre perfekt gewesen. Ein buntes Gemisch aus Champignonbrutzelbude, DKP-Stand (ich wusste gar nicht, dass es diese West-SED noch gibt), aus GRÜNEN-Spielplatz, VERDI-Luftballonaufpusterei, HOLländischer Pufferbraterei, LINKEN-Propagandastand (besetzt mit dem Öffentlichkeitsgeneralsekretär aus Kattenturm), BRATwurstpavillon, SPD-Informationspavillon (die Vorsitzende des Ortsvereins Woltmershausen gab sich persönlich die Ehre), DGB-Bühne, TIBET-Informationstisch, KUHLE WAMPE-Motorrad-Club, SOZIALISTISCHE ALTERNATIVE-Fahrrad-Anhänger, BECKS-Bierwagen, IG-Metall-Zelt und andere Kleinpavillons erwarten den arbeitskampfbereiten Genossen auf dem Domshof eine halbe Stunde vor Eintreffen des Demonstrationszuges. Einige Kampf-Genossinnen und Kampf-Genossen halten sich bereits an den ersten Bieren und Bratwürsten fest, andere an den Champignons oder an den niederländischen Poffertjes. Wo ist die einstimmende Musik der früheren Jahre? Keine Blasmusik, keine Arbeiterlieder, kein Spielmannszug, nix. Wo sind wir denn hier? Vor der überdimensionierten DGB-Bühne sind kleine Partytische aufgestellt, an denen sich die Biertrinker und Bratwurstesser bereits festhalten.
Dann: De Zoch kütt. Karneval der politischen Eitelkeiten. Nicht Musik erschallt, keine Schalmeien, keine Trompeten – stattdessen: Lautsprecher übertönen sich gegenseitig, teilweise mit barocken postkommunistischen Parolen. Viele bunte Fahnen und Spruchbänder. Völlig ungeordnet, chaotisch. Fahrräder werden mit geschoben, gnatschende Kinder auf den Schultern ernstblickender GEW-Aktivisten, Handwagen, Offene Lastwagen ähnlich Love-Parade. An der Ecke ein Chor: die Internationale. Am Alex hat sich eine VERDI-Gruppe, die den Zoch vor Eintreffen auf dem Platz schnell verlassen hat, eine Tischreihe gesichert und schon einmal Bier bestellt. Auf dem DKP/UZ-Wagen wird auch lauthals gesungen, ich glaube vernommen zu haben: Auferstanden als Ruinen und der Zukunft zugewandt, oder so ähnlich. Waren da im Vorbeifahren nicht auch die alten Plakate von Stalin und Ulbricht oben auf dem Wagen zu sehen? Ich kann mich auch getäuscht haben. Es werden wohl Marx und Engels gewesen sein.
Dann fängt die Rede der DGB-Lautsprecherin an. Schnell weg hier. Noch eine schöne Tasse Bohnenkaffee im Classico, dann ab nach Hause und in Ruhe Schalke 02 gegen Werder anschauen. Da spielen Profis, die wissen, wie man eine Großveranstaltung organisiert.
Montag 23. August / Dienstag 24. August 2010
PFAU, PFISCH UND PFEI IM RADIO
von Katharina Loewe
Katharina Loewe hat Radio gehört
Sonntag versaut
Nichts Böses ahnend
kam ich Sonntagfrüh gerade vom Gottesdienst nach Hause zurück, als auch schon das Telefon klingelte. Mein Herausgeber war dran. Er bat mich, sofort das Radio einzuschalten und mir eine Sendung anzuhören und darüber zu schreiben. Er selbst sei nicht in der Lage dazu, da er gerade sein Frühstück zurückbefördert habe von innen nach aussen, als er hörte, wer in die Sendung eingeladen worden sei. Ob das denn sein müsse, wollte ich mich vor der Aufgabe noch drücken. Ich erklärte, dass ich gerade eine schöne Predigt gehört hätte über das Thema "Liebe den Nächsten", und nun solle ich mir eine Sendung anhören mit Pfau, Pfisch und Pfei. Wie das denn zusammenpasse? Ob er mir auch noch meinen Sonntag versauen wolle? Nun gut, gegen die Arbeitsaufträge von Herausgebern kann man ja so wie so nichts machen, also hörte ich mir die Sendung an.
Und ich muss gestehen: ich war erschüttert, schlimmer hätte es nicht kommen können. Was hat das Radio sich da geleistet? Das Radio, das so einen hohen kulturellen, politischen, sozialen und intellektuellen Level für sich in Anspruch nimmt, und diesen in der Regel ja auch erreicht. Das Radio, das so wunderbare Weltmusik sendet, das Radio, das mich morgens bereits mit den besten und schlauesten Berichterstattungen und Kommentaren über das nationale und internationale Weltgeschehen versorgt, das Radio, das regelmässig intelligente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Literatur und Geisteswissenschaften präsentiert - über Eugen Drewermann wollen wir an dieser Stelle nicht reden, das ist ein eigenes Kapitel - , das Radio also mit dem höchsten intellektuellen Anspruch aller Sender in Norddeutschland, wenn nicht sogar in ganz Deutschland und darüber hinaus, bietet uns am wertvollen Sonntagmorgen zur besten Hörerzeit zwischen 11 und 12, kurz vor Beginn des immer wieder herrlichen Sonntagskonzertes, 3.Wahl - nämlich Pfau und Pfisch garniert mit Pfei.
Das Thema der Sendung war Jugendkriminalität und Jugendgewalt. Also ein äußerst sensibles Thema. Ausgangspunkt für die Sendung wieder einmal ein Buch. In diesem Falle das Buch, das die so tragisch zu Tode gekommene Berliner Jugendrichterin ihrer Nachwelt als Geschenk hinterlassen hat. Das Ende der Geduld. Eine äußerst populistische Abrechnung mit dem gesamten Jugendgerichtswesen in Berlin und in Deutschland und eine Aufforderung zu veränderten Massnahmen gegenüber gewalttätigen Jugendlichen. Besonders gegenüber Jugendlichen mit dem so genannten Migrationshintergrund, und hier besonders gegenüber Jugendlichen mit türkischem oder arabischem Hintergrund.
Eigentlich wäre es Aufgabe unseres Bildungsradios gewesen, die populistischen, verallgemeinernden Thesen des Buches zu widerlegen und eine fachlich qualifizierte Expertenrunde dazu zu Wort kommen zu lassen. Für diesen Part wurde als Alibi-Experte Pfei dazu gerufen, der ja, wie sich dann im Gespräch herausstellte, gar nicht Pfei aus Hannover war, sondern nur sein Double. Das Double von Pfei bekam dann aber auch keine Chance, auch nur halbwegs die notwendigen wissenschaftlichen Gegenargumente gegen die populistischen Strömungen der Sendung an den Hörer zu bringen. Egal mit welchen Zahlen das Double operierte, Pfau und Pfisch erzählten als Praktiker des Jugendhilfewesens und des Jugendgerichtswesens frei Schnauze aus ihrer Berufswelt. Und das nicht etwa auf einem akademischen, abstahierenden Niveau, sondern aus dem Nähkästchen. Dabei scheute Pfau z.B. auch nicht davor zurück - selbst nicht in der Lage 3 bis 4 Gedanken in einem zusammenhängenden Satz zu vereinigen - den Fussballspieler Mesut Özil, der gerade von Bremen nach Madrid gewechselt ist, in einem Atemzug mit gewaltbereiten und gewalttätigen Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu erwähnen. Ein Erziehungsanstaltshelfer, der selbst nicht fachgerecht lesen und schreiben kann, macht sich lustig über das Sprach- und Schreibversagen von jungen Menschen. Echt peinlich ey.
Die ernsthaften Diskussionen über das Jugendstrafrecht und die richtigen Strategien finden seit 60 Jahren auf hohem Niveau in verschiedenen Verbänden, Organisationen und Vereinigungen statt. Es gibt außerordentlich hervorragende regelmässige Publikationen, die sich mit der Thematik befassen. Auch in Bremen haben wir Spezialisten in Wissenschaft und Forschung, in der Jugendgerichtsbarkeit, in der Jugendhilfe, in den Wohlfahrtverbänden und bei den so genannten Freien Trägern, die sich der Thematik seit Jahren und Jahrzehnten innovativ und qualifiziert stellen. Das hätte unser Radio wissen können und wissen müssen. Dann wäre bei der Sendung auch etwas ganz Anderes herausgekommen als dieses praktizistische, unreflektierte Geschwafel von harter Hand, von gebetsmühlenartigen Verweisungen auf die Verantwortung von Kindergärten und Schulen, von männlichkeitsorientierten Erziehungsidealen bei den Türken, von den Pappenheimern und ähnlichen Bildern. Kein Wort über die unterversorgten Armutslebenslagen, aus denen die Täter erwachsen; kein Wort über die Spaltung der Gesellschaft, kein Wort über den Sozialabbau und die Verkümmerung der Jugendhilfe. Alles nur auf der Erscheinungsebene abgehandelt. Alles ganz schlimm. Auch diese Sendung. Das macht doch sogar BILD-TV besser!
Katharina Loewe
Sonntag 10. Oktober 2010
Fenix & Upupa am Sonntag
LANDSCHAFTSGÄRTNERINNEN MACHEN EINEN AUF JUGENDFÖRDERUNG
Im Haus der Wissenschaft in Bremen
fand am Donnerstag 07. Oktober 2010 eine Fachtagung unter dem Titel:
STADT FÜR ALLE - PLATZ FÜR JUGEND
statt.
Unser Jugendhilfekorrespondent hatte sich als Teilnehmer angemeldet und war an dem Fachtag von Anfang bis Ende dabei, obwohl er in der Mittagspause fast am Fischwagen von Schorse auf dem Domshof hängen geblieben wäre, weil Schorse wunderbare Geschichten von zu Hause erzählte. Die Erzählungen auf dem Fachtag fielen dagegen deutlich ab. Wer will denn schon wissen, weshalb neben einem staatlich geförderten Jugendfreizeitheim in Bremen-Nord eine Tischtennisplatte aufgebaut wurde, die aus einem Sonderfonds finanziert wurde?
Pfau Pfünf
Kritische, satirische, persiflierende Stellungnahmen und Aufdeckungen von Sozialen Widersprüchen und Sozialpolitischen Skandalen. Kritik der Sozialen Strukturen und der Sozialen Organisationen
Sonntag 26. September 2010
F&U am Sonntag
HEIERMANN VON DER LEYERMANN
Oh, kuck mal an, doch soviel!
Meldung von heute: Die Regierungskoalition will die Hartz-IV-Regelsätze um üppige 5 € erhöhen! Die Sätze für Kinder werden nicht erhöht!
Jetzt kommt es ganz Dicke für die Hartz-IV-Bezieher und Bezieherinnen. 5 € mehr im Monat! Der reine Luxus! Was sie sich davon alles zusätzlich leisten können, hat einmal unser Armutsredakteur aufgelistet:
5 x Pissengehen auf der Bahnhofstoilette
oder
5 x 1 Hamburger einfach bei McDonalds
oder
5 x Dosensuppe 1 Portion ohne Fleischeinlage
oder
5 x Bildzeitung
oder
5 x Einkaufen in der Abteilung "Alles 1 Euro"
oder
5 x einem Bettler in der Stadt "'ne Mark geben"
oder
5 x günstig in der Teestube der Straffälligenhilfe essen
oder
5 x Telefonieren mit den Kindern
oder
5 x die Heizung kurzfristig ein wenig höher einstellen
oder
5 x 1 Reihe Lotto spielen
Ist das denn nix?
Dienstag 05. Oktober 2010
Aus der Reihe: Unvergessen
Heute vor 7 Jahren: Oktober 2003
eine Serie von Josef Fellstein
OKTOBER 2003 - DER MONAT DES ARNOLD
Irgendwo in Deutschland im Jahre 2003, Oktober.
Unser Arnold hatte es in seiner beruflichen Laufbahn weit gebracht. Das richtige Parteibuch im Jackett brachte er es als Jurist für Baurecht in dem Ländle seiner Wahl, er kam sicherlich wie viele andere politische Zuwanderer auch aus Ostwestfalen ins Ländle, zum Staatsrat für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales. Als Vertreter der jeweiligen Senatorin, mal war es Hilde, die leider tragisch verunglückte, mal war es Karin, die selber ein Unglück war, hatte er somit viel zu tun und viel zu entscheiden.
So kam es vor, dass er beispielsweise morgens noch mit seiner Marionette, der von ihm eingesetzten Chefin der arbeit gmbh, bei einer schönen Tasse Bohnenkaffee die Strategien zur Begünstigung ausgewählter Arbeitsförderungsprojekte im Ländle besprach, dann gegen Mittag zum Empfang der halbstaatlichen Heimstiftung anläßlich der Eröffnung des 121. Stiftungsdorfes eilen musste, um dort den einen oder anderen Happen vom Büfett zu erwischen - und um schließlich am Nachmittag mit dem von ihm eingestellten und, wie sich später herausstellte, untreuen Verwaltungsdirektor der Krankenanstalten darüber nachzudenken, wie die Krankenzimmer mit unnützem teuren Mobiliar ausgestattet werden können.
Leider wusste Arnold zu dem damaligen Zeitpunkt, Oktober 2003, noch nicht, dass er von dem Verwaltungsdirektor in den gleichen Momenten, in denen er eisige Streichkonzerte für die Institutionen der Jugend- und Sozialhilfe dirigierte, von oben bis unten beschissen wurde. Oder wußte er es etwa doch schon? Gab's da schon was?
Den Jugendamtsleiter degradierte er nicht erst im Oktober 2003 zum Sparkommisar, der sein Unwesen dann auch gnadenlos auf seine Abteilungen und Mitarbeiter herunterprügelte - alles mit Arnolds Zustimmung. Die Ergebnisse dieser Kinder- und Jugendhilfe wurden einige Jahre später - es war wohl wieder Oktober - dramatisch im Ländle öffentlich. So dramatisch, dass dann endlich auch Arnold und Karin ihre Hüte nehmen mussten.
Und im Oktober 2003, um darauf zurück zu kommen, in dem Monat also, hatte Arnold wohl soviel um die Ohren in den höheren Sphären seines Machtapparates, dass die drei Gespräche im Laufe des Oktober 2003 mit dem Sozialverein, der wegen einer unausgewogenen und unzureichenden Förderung durch die Arnold'sche Zentrale in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, ihm quasi am Machtarsch vorbei gegangen sind. Im Monat Oktober 2003 ließ Arnold den Sozialverein eiskalt in die Insolvenz stolpern, um, wie man später hörte, den Trägermarkt um ein weiteres Opfer zu bereinigen.
Das war eine große Leistung von Arnold im Oktober 2003, die sich allerdings relativierte durch die Tatsache, dass alles auch hätte ganz anders gelöst werden können, zum Beispiel mit einer Arnold'schen Bürgschaft (hätte ja nicht HREmäßig sein müssen!) - zumal die Tätigkeiten des Sozialvereins später mit fast dem gleichen Personal in anderer Trägerform bis heute fortgesetzt wurden.
Ins Arnold'sche Gras beißen musste lediglich ein so genannter Geschäftsführer, der dann später von Spürmann dem Volltrecker, der wiederum eng zusammenarbeitete mit der verräterischen Barbara und dem geizigen Pfau, nach 24 Jahren und 11 Monaten Sozialdienst für den Sozialverein und für das Sozialländle in die Arbeitslosigkeit geschickt wurde.
Der Oktober 2003 - das war ein bedeutender Monat für unseren Arnold und für alle anderen Hohlkreuzlerinnen und Schisshäsinnen im hanseatischen Ländle.
ei ZEIT 2011
Nun ist es wieder so weit. Ostern naht und die Eier haben Konjunktur. Nach dem langen Winter warten die Gewächse in den Vorgärten direkt
darauf, mit allerlei buntem Eiwerk behängt zu werden. Egal, ob Nordmanntanne, Korkenzieherhaselnuß, Forsythie, Lebensbaum oder Ahorn: das
Eiförmige muß in die Pflanze, noch vor dem ersten Austrieb und der ersten Blüte.
Nach dem Lichterkettenwahnsinn zu Weihnachten und dem Feuerwerksirrsinn zu Sylvester jetzt die Ostereierorgie. Millionen von industriell hergestellten Plastik- und Gipseiern, manchmal sogar Holz, zieren jetzt wieder unsere Hauseingänge, Vorgärten, Parzellen, Hinterhöfe, Büros und Öffentlichen Gebäude. Kein Zweig ist mehr vor den Plastikdingern sicher - Hauptsache es hängt etwas drin! Ein regelrechter nachbarschaftlicher Wettbewerb hat eingesetzt: je mehr Eier im Geäst, desto österlicher das Ansehen. So glauben es scheinbar die Eiereinhänger. Dabei sieht das doch überhaupt nicht mehr österlich schön aus. Der Mythos des Ei's, der Mythos von Ostern, der Mythos von der Auferstehung und der Wiederauferstehung verliert sich total in der chemisch hergestellten Masseneihysterie. Die Kinder werden nicht mehr angehalten, das echte Hühnerei auszupusten, es schön mit Tusche anzumalen, einen Faden am Holzstück im Ei zu versenken, es an ausgewählten Stellen im Hause und außerhalb aufzuhängen - nein, sie werden zu Schlecker oder zu Netto geschickt, um die Plastikdinger billig in großen Paketen nach Hause zu schleppen. Faden ist schon dran, also los. Die Umgebung verunzieren mit diesen unifarbenen Industrieprodukten.
Na denn: schöne Ostern!
Freitag 31. Dezember 2010
PERSÖNLICHER TIERISCHER 7-JAHRES-RÜCKBLICK 2003 – 2010
von Ulrich Pelz
„Alles auf der Tafel von einem Tag zum anderen auslöschen,
neu sein mit jedem anbrechenden Morgen,
in einem ständigen Wiederaufleben unserer emotionalen Jungfräulichkeit,
das, allein das lohnt die Mühe, zu sein oder zu haben,
um zu sein oder zu haben, was wir auf unvollkommene Weise sind“
Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe
SCHILDKRÖTE IN DÄNEMARK
Am Anfang des 9.Abschnitts meines 7-Jahres-Entwicklungs-Rythmusses fand ich mich plötzlich auf allen Vieren kriechend auf einer dänischen Insel wieder. Diese Metamorphose in eine Schildkröte blieb nicht nur für die umstehenden Dänen, sondern auch für die mitgereisten Landsleute unerklärlich. Später, nach der Rückverwandlung in einen Aufrechtgehenden, begab ich mich zurück nach Deutschland, um dort erneut in eine Kriechhaltung verfallen zu müssen, und zwar in die eines Hundes.
HUND IN BREMEN
Nach der Rückkehr aus Dänemark in meine Heimatstadt, in der in der Zwischenzeit die Buchhalter und Korinthenkacker das Zepter übernommen hatten, musste ich als Hund die Stiefel derselben lecken gehen.
Außer Lecken musste ich Winseln und Jaulen. Der Oberchef der Buchhalterbande, ein so genannter Staatsrat, ließ mich dreimal vorführen, um meine Eignung für den Wettbewerb der unterwürfigsten und verlogensten Hunde zu prüfen. Am Ende gab er mir einen Tritt in den Arsch, da ich seinen hündischen Ansprüchen wohl nicht genügte.
ESEL IM KANINCHENSTALL
Erneut auf allen Vieren, diese Mal mit großen, langgezogenen Ohren: Nach dem Arschtritt kam die Stunde der Geier und der Schlangen. Während ich vom Obergeier zum Esel degradiert wurde und eine Ecke im Stall zugewiesen bekam, in der ich in aller Ruhe IA rufen konnte, verkümmerten meine Stallgefährten zu Hasen und Kaninchen, deren Angstködel sich überall im Stall ablagerten. Besonders bei der Annäherung der Schlange schissen und ködelten sie allein schon bei deren Anblick. Ich als Esel ködelte natürlich nicht, was mich beim Geier und bei der Schlange noch verdächtiger machte.
ELEFANT IN TIMMENDORF
Zählen wir den Rüssel dazu, dann habe ich die folgenden Quartale meines 9.Abschnittes zwar nicht kriechend, aber immerhin auf 5 Beinen als Elefant langsam dahin schreitend verbracht, wobei der Rüssel selbstverständlich nicht immer Bodenberührung hatte. Zuviel Würfelzucker und zuviel Herz waren unter meinem dicken Fell versteckt, das musste weg! Die weißen Männer haben mich zuerst von Süß auf Sauer gestellt, dann auf den Rücken gedreht, mir vorne alles aufgeschnitten, die Blutbahnen freigekratzt und anschließend alles wieder zugenäht. Danach verschifften sie mich nach Timmendorf an die Ostsee. Dort musste ich am Strand immer hin und her rennen. Einmal schaute ein Dorsch aus dem Wasser und rief mir zu: Hallo Alter, schwimmen hält fit. Ich habe den Dorsch dann noch einmal wiedergesehen. Im Hafen von Niendorf als Filet in einem Fischwagen!
SCHNECKE AN DER OSTSEE
Jetzt Kriechen in Perfektion: Metamorphose vom 5beinigen Elefanten, der gerade einmal wieder laufen gelernt hatte, zur 1beinigen (wenn überhaupt!) Schnecke. Geier und Schlange schickten mir ins Erholungsheim für Elefanten das Todesurteil per Einschreiben. Ich schrumpfte sofort und fand mich in einem kleinen Häuschen über mir selbst wieder. Kein Licht, keine Luft, kein Land. Wollte ich mich vorwärts bewegen, dann musste ich ab jetzt Schleim produzieren und den Kopf herausstecken mit der Gefahr, dass dir ein Jurist auflauert, der auf das Zertreten von Schnecken spezialisiert ist. .So kroch ich langsam auf Umwegen, auf denen ich sicher war, keinem Juristen zu begegnen, von Timmendorf in die Heimat zurück. Bis ich wieder zu Hause ankam, hat es wohl mehrere Jahre meines 9.Abschnittes gedauert.
ASCHE UND EI
Wieder Mensch geworden. Aber: Verbrannt, verkohlt. Die Haut geschrumpelt, das Gesicht geschwärzt. Nicht wiederzuerkennen. Nur die engsten Angehörigen und Freunde wissen noch, wer du bist. Die anderen wechseln die Straßenseite. Sie blicken mit verkniffenem Mund nach unten. Sie pissen sich vor Aufregung, mir begegnen zu müssen, die Hosen voll. Es gelingt ihnen nicht mehr, einen schönen guten Tag zu wünschen. Sie schreiben nicht. Sie rufen nicht an. Sie fragen nichts. Sie sitzen auf den Bänken der Schlachte und starren bei meinem Vorübergehen voll leer hinüber zur Haake-Beck-Brauerei. Die Verräterin kauft Brot in einer Bäckerei in der Pappelstraße und zahlt mit Silberlingen. Im Nest nur Asche. Und ein kleines Vogelei.
ALTE GÄULE BEI EICHE HORN
Ein- bis zweimal die Woche ging es hinaus nach Horn zum Springtraining. Wieder auf allen Vieren trainierten wir Galopp und Sprung. Auch mit Keulen, Bällen, Reifen, Bändern und Hanteln brachten wir uns wieder auf Schwung. Manchmal trieben wir es so doll, dass die Keulen an die Unterkiefer flogen und die Zähne zertrümmerten. Auch Tote gab es, die einfach so umkippten während des Trainings: Auch die anwesenden Ärzte konnten nichts mehr machen. Mund abwischen und weiter. Runden um Runden, Hürden, Matten, Stangen. Unser Jungbrunnen. Herz, Krebs, Lunge – was soll’s. Wir haben es überstanden und und wir sehen uns bei der Olympiade der Alten Gäule wieder.
UNTER VÖGELN IM WOLKENKUCKUCKSHEIM
Etwa in der Mitte des 9.Abschnitts entschied ich mich, der Menschheit ade zu sagen und in die Welt der Vögel einzutreten. Nein, nicht in die Welt der Spatzen, Meisen und Finken und deren Gehirnmassen und intellektuellen Fähigkeiten. Das hatte ich ja nun hinter mir in den letzten 25 Jahren meines Berufslebens. Nein, ich trat ein in die Welt der Phönixe, der Wanderfalken und der Wiedehopfe. Beim Wiedehopf, dem König der Vögel, den ich zuletzt ja noch in Umbrien in den Dinkelfeldern traf, meldete ich mich an und bat um Aufnahme ins Wolkenkuckucksheim. Ich wurde aufgenommen mit den königlichen Auflagen, einen neuen Verein mit dem italienischen Namen „Fenice“ zu gründen, einen Wanderclub „FSFG 07“ auf die Beine zu stellen und die Nett-Wild-Zeitung „FENIX & UPUPA“ herauszugeben. Wie befohlen, so geschehen. Seit meiner Aufnahme liebe ich alle meine Artgenossen ohne Ausnahme. Auch die Geier. Das sind eigentlich ganz liebe Genossen, wenn sie nur nicht manchmal so ekelhaft stinken täten nach Aas und Gier. Furchtbar! Dem König der Vögel wird ja auch bestialischer Gestank nachgesagt. Stimmt aber nicht. Er duftet in der Regel nach Puder und Parfüm. Nur wenn er Sozialarbeiter und Insolvenzverwalter von weitem sieht, dann hat er hinten so eine Drüse mit ätzender Flüssigkeit zur Abwehr, die er dann betätigt. Und was ist aus den königlichen Auflagen geworden? Fenice hat zwei Jahre bestanden. Wegen Nichtberücksichtigung im undurchschaubaren Dschungel der Arbeitsförderung in Bremen wurde er wieder aufgelöst. Der Wanderclub besteht. Es gibt keine Ecke in Bremen, die nicht schon angewandert wurde. Und die Zeitung. Das seht ihr ja! Nur Undank! Katharina Loewe verschwindet mit diesem Lüllmann, so einfach mir nichts dir nichts während einer Kohl- und Pinkelfahrt! Geschmacklos! Das ist schon der zweite Verrat einer Frau, die mir den Job und das Auskommen zu verdanken hat! Aber, wie heißt es so schön unter uns Vögeln: man fliegt niemals im Leben zweimal die gleiche Strecke!
25/11
Dienstag, 23.August 2011
WIEDERBEGEGNUNG DER BESONDEREN ART
ROLLENTAUSCH
Nettes Beratungsgespräch vor'm Getränke-Abholmarkt.
Ich weiß ja seit einiger Zeit, dass er hier bei mir im Stadtteil lebt. Schon mehrmals war er mir über den Weg gelaufen ohne mich zu erkennen oder ohne mich erkennen zu wollen. Mein früherer Jugendhilfeklient Marcus T. Ich war ja einmal in einem meiner früheren Leben Jugendhelfer und auch Bewährungshelfer, und den Marcus habe ich vor
ca.30 Jahren angefangen zu beraten und zu betreuen. Marcus war schon als Kleinkind in Heime gesteckt worden, und er ist dann sein ganzes Kindheits- und Jugendleben von "Scholle zu Scholle" - das heißt: von Heim zu Heim, von Sozialinstitution zu Sozialinstitution, gestossen worden, bis er schließlich früh als Jugendlicher und Heranwachsender auch im Gefängnis landete und schließlich, welch' Wunder, in der Drogenszene. Heute ist er weit über 40 Jahre alt und , wie er mir berichtete, zurzeit auf Metha - also im Drogensubstitutionsprogramm, demnächst wolle er eine neue Therapie beginnen. Er war heute wohl "gut drauf", heute wollte er mich wohl erkennen und sprach mich im Getränkemarkt mit einer Flasche Bier in der Hand locker an: "Hallo Pelz, altes Haus, du siehst aber Scheiße aus, gehts Dir nicht gut?" Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten meinen aus der Form geratenen Bauch zu streicheln. Ich mußte ihn bitten, einem älteren Herrn doch etwas mehr Respekt gegenüber zum Tragen kommen zu lassen. Er darauf hin: "Mensch Pelz, stell' dich nicht so an, ich wollte doch nur fühlen, ob du schwanger bist! Was machst du denn so, bist du noch im Verein soundso?" Als ich versuchte ihm zu verdeutlichen, dass ich schon seit einigen Jahren keine Jugendhilfe und Bewährungshilfe mehr mache, legte Marcus ein sozialpädagogisches Gesicht auf und sagte: " das tut mir aber leid für dich, du warst doch immer so ein toller Typ, was ist denn da schiefgelaufen, was sind die Ursachen für dein Versagen?" Ich versuchte kleinlaut zu erklären, was beruflich gelaufen ist bei mir. Marcus jetzt ganz Berater: "Da solltest du aber mal eine Therapie in Anspruch nehmen, du bist doch bestimmt voll fertig!" Es sei nicht so schlimm und ja alles auch schon Vergangenheit, ich jetzt. "Ich kann dir ein paar gute Tipps geben, wie man da wieder rauskommt" so Marcus weiter "... du musst vor allem an dich selber glauben und dich nicht fertig machen lassen von diesen ganzen Heiopeis!" Ich: wird schon werden, ich danke dir für deine Beratung, ich muss los, bis nächstes Mal.
Uli Pelz
13/32
Montag 8.April 2013
ES IST AN DER ZEIT...
...es ist an der Zeit den Hut zu ziehen. Vor all' den Menschen, die als Juristen Mensch geblieben sind. Die nicht nur
Paragraphen, die Gebührenordnung und die bungesgerichtlichen Entscheidungen sehen, sondern die Ereignisse und die Menschen dahinter. Erst
kürzlich verstarb einer dieser Juristenmenschen auf einer Nordseeinsel. Er kannte als Staatsanwalt Barmherzigkeit und Nachsicht gegenüber jungen
Übeltätern aus den unteren Schichten. In seinem Büro stand ein Stehpult als Schreibtisch und an den Wänden strahlten nicht Picasso und Cezan, sondern
Donald und Dagobert Duck.
...es ist an der Zeit auszuspucken. Vor all' den Mitmenschen, die immer noch glauben, sich rassistisch, nationalistisch,
fanatischreligiös und gewaltbereit über Andersaussehende, Andersherkommende, Andersglaubende und Andersdenkende erheben zu dürfen. Nun gut, du wirst in
deiner Nachbarschaft nicht ständig spucken können, wie sieht das aus? Aber tue es hinten symbolisch am Misthaufen, oder drüben auf der Weide bei den
Schweinen. Spucke deinen ganzen Ekel hinaus.Bis aus dem Speichel eine bunte Blumenvielfalt erblüht. Und bis niemand mehr hinten auf seinem
Sommershirt Thor Steinar stehen hat oder Hell's Angels oder Wikinger oder was weiß ich für einen Dreck!
...es ist an der Zeit zu verzeihen. All' denen, die Ironie und Satire nicht von Angriff und Unfairness unterscheiden können.
Auch all' denen. die wegen menschlicher Schwäche lieber die 30 Silbertaler nehmen als charakterfest zu bleiben in brenzligen Situationen. Nun gut,
einem geizigen Pfau und einem blutverschmierten Aasgeier kann man nicht verzeihen, bei bestem Willen nicht! Aber all' diesen dummen Schweinen und
leichtgläubigen Vereinsschäfchen, da wird man ja wohl mit der Zeit mindestens ein Auge zudrücken dürfen, wenn nicht zwei! Ja, wir werden wohl auch die
staatlichen Administratoren in unsere Fürbitten mit einbeziehen. Allerdings werden wir sie nicht namentlich erwähnen, da sie schon längst nicht mehr
auf meiner Liste stehen.
...es ist an der Zeit zu schreiben. Bevor du die Kurve kratzt für all' die, die nicht wahrnehmen und begreifen können oder wollen. Auch für die, die bis heute nicht akzeptieren können, dass du einen langen und dornigen Weg gegangen bist, und dass du dir hohe soziale und fachliche Kompetenzen angeeignet hast auf dem zweiten, dritten und vierten, wenn nicht fünften Bildungsweg. Und für die, die immer noch nicht glauben können, dass du nicht mehr oben in der Spitze des Kastanienbaumes sitzt und schöne Gedichte, die du bei Köhler in der Achimer Mittelschule gelernt hast, von Benn und Rühmkorff und Brecht sprachtechnisch einwandfrei aufsagst. Und für dich selbst. Schließlich willst du ja auch selbst wissen, bevor du die Kurve kratzt, was eigentlich so war!
Uli Pelz
13/27
Montag 17.Juni 2013
VOR 10 JAHREN: DAS JAHR 2003
oder: das Jahr, in dem sich die Erde rückwärts drehte
Es gibt weltgeschichtlich bedeutende Jahre, und es gibt diese so genannten normalen Jahre, in denen auf die freundliche Frage " na wie gehts" ebenso freundlich und lapidar geantwortet wird "gut". Weltgeschichtlich bedeutende Jahre waren in der Übersicht der letzten 70 Jahre z.B. die Jahre 1945 und 1989. Alle anderen Jahre dazwischen und danach waren normale Jahre, auch wenn Kalte und Warme Kriege geführt wurden, Atombomben gezündet wurden, Volksaufstände niedergeschlagen wurden und die Offene Sexualität erfunden wurde. Ein besonders normales, wenn nicht sogar stinknormales Jahr war dieses Jahr 2003. Nun gut, man könnte einschränken , dass es vielleicht doch ein weltgeschichtlich bedeutendes Jahr war, weil in diesem Jahr 2003 Recep Tayyip Erdogan Ministerpräsident der Türkei wurde, oder weil US-Präsident George W. Bush dem amerikanischen Volk in einer nur vier Minuten langen Rede den Beginn des Krieges gegen den Irak ankündigte, vielleicht auch weil 77 % der Polen für den Beitritt in die EU gestimmt haben. Einmal abgesehen davon, dass die NATO die Kontrolle über die afghanischnen Militäreinheiten übernahm und Bundeskanzler Gerhard Schröder Prag besuchte und San Marino eine neue Regierung erhielt. Darüber hinaus war aber eigentlich alles normal, einmal abgesehen davon, dass Saddam Hussein im Irak in einem Erdloch aufgespürt wurde und erst einmal zum Duschen abgeführt wurde, um ihn dann 3 Jahre später hinzurichten. Ansonsten alles normal. Die Deutschen Politiker unter der Führung der Sozialdemokraten arbeiteten eifrig an der Umsetzung der so genannten "Agenda 2010", die zum Ziel hatte, die Deutsche Gesellschaft zu spalten in erfolgreiche Eliten und arbeitsscheue Leistungsversager. Dabei bedienten sie sich eines Arbeitsdirektors aus der Autoindustrie, der später berühmt werden sollte wegen seines Managementes von Dienstreisen für verdiente Betriebsräte in den Puff von Rio de Janeiro. Auch war es ihr Ziel, den Wohlfahrtsstaat umzukrempeln, wenn nicht zu vernichten. Nicht mehr gesellschaftliche, soziale Solidarität stand jetzt im Vordergrund, sondern kaltes betriebswirtschaftliches Rechenwerk ohne Fragen an Tradition, Innovation und Qualität Sozialer Arbeit. Die Sparkassenfachbetriebswirte in ihren grauen Anzügen, die von rotkarierten Sparkassenkrawatten begleitet wurden, reduzierten ihr Sprachvermögen auf die Begriffe "Basel II" und "Bundesanstalt für die Bankenaufsicht". Ihnen ging die Muffe 1:1000, dass sie bei der Kreditvergabe an kleine, und besonders an soziale Unternehmungen Fehler machen würden, was ihnen - wie sie immer lauthals in die Quartalsgespräche hineinpusteten - die Krawatte kosten würde. Echt Arme Schweine. Und dann gab es da im Jahre 2003 auch noch diese so genannten Wirtschaftsprüfer, die kein anderes Interessse hatten, als in den von ihnen beauftragten Sozialen, Kulturellen und Sportlichen Vereinen und Unternehmungen zu prüfen, was wirtschaflich bei diesen betriebswirtschaftlichen Hungerleidern und Dilletanten für sie persönlich herauszuholen war. Dabei missachteten sie alle Rauchverbote in den Betrieben und ließen sich bräsig, selbstherrlich und arrogant von den Buchhaltern die wirtschaftlichen Miseren vortragen. Verschlimmert wurden die ekelerregenden Prüfsituationen noch durch die Tatsache, dass sowohl die Buchhalterin als auch die Personalsachbearbeiterin eigentlich nie begriffen hatten, was Kostenstellen sind und wie sie den einzelnen operativven Teilen des Betriebes zuzuordnen waren. Egal. Vergessen. Wollen wir etwa auch noch über die damalige Sozialadministration der Stadt etwas berichten? Nein das wollen wir nicht! Es macht keinen Sinn über Pflegesatzabteilungen und über Jugendamtsressorts zu schreiben, die mit ihren Aufgaben eigentlich immer überfordert waren. Man will ja menschlich bleiben und den dort tätigen Unwissenden nicht wehtun. Vielleicht sind sie ja auch bereits vonhinnen gegangen. Die Erde dreht sich weiter. Nur manchmal, so hat man das Gefühl, besonders dann, wenn man Schwindel und Atemlosigkeit verspürt, dreht sie sich wohl rückwärts.
Nein, in Wahrheit dreht sie sich, die Erde, wenn sie sich überhaupt dreht, immer vorwärts. Beweis dafür ist mein Enkelkind Jula, das im Jahre 2003 geboren wurde, und das mir und meiner Frau Ines seit 10 Jahren so viel Spaß und Freude bereitet. Wir freuen uns gemeinsam auf jeden gemeinsamen Tag mit ihr.
Mittwoch, 03. Februar 2011
KATHARINA LOEWE ÜBER SELTENE VÖGEL
5 Tage Hölle in Cuxhaven-Duhnen - und dann auch noch meistens Ebbe
oder: Rosa Tankstellennelken
Der Himmel hing voller Geigen. Ade Kohl und Pinkel. Ade Kollegen und Kolleginnen von Fenix & Upupa. Carsten-Olaf hatte mich gefangengenommen. Dr. Carsten-Olaf Lüllmann, Unternehmensberater und Medienberater. Ich hatte ihn vorher gar nicht so recht wahrgenommen, obwohl er mindestens 1 – 2 x im Monat in unserer Redaktion war, um unsere Chefs auf den richtigen Weg zu bringen. Besonders betriebswirtschaftlich sind Chefs ja meistens blind, hier hat Carsten-Olaf unseren Herausgebern in den letzten Monaten wertvolle Anregungen geben können. Unter anderem hat er ihnen davon abgeraten, eine korrespondierende Redaktion in Peking aufzubauen. Schade, ich war ja damals bereits im Gespräch, den Job in Peking zu übernehmen. Heute sage ich: ach, wäre aus Peking doch etwas geworden! Stattdessen: Cuxhaven-Duhnen! Nach der Kohl- und Pinkelflucht aus Ganderkesee, oder wie das Kaff da im Oldenburgischen heißt, fanden Carsten-Olaf und ich uns im Autobahnmotel A1 an der A1 zwischen Osnabrück und Bremen bei Großmackenstedt wieder. Aus hygienischen und intimen Gründen soll hier an dieser Stelle auf die Darstellung näherer Einzelheiten unserer Hotelankunft in Großmackenstedt verzichtet werden. Nur so viel: Carsten-Olaf wird sicherlich in seinem Leben niemals wieder Oldenburger Pinkel mit Oldenburger Grünkohl, der ja wohl vorher bereits in Unmengen Schweineschmalz angedünstet wurde, vermischen, um sich dieses Gemisch später einzuverleiben. Nur weiter so viel: das war‘s dann mit A1! Ich hatte 1a erwartet, stattdessen dieses Autobahnangebot A1. Später haben wir noch gehört, dass unsere Herausgeber in der Nacht nach der Kohl- und Pinkelfahrt auf Bänken schlafend in der Halle des Delmenhorster Bahnhofs aufgegriffen worden sein sollen und eine Nacht in der Ausnüchterungszelle der Delmenhorster Polizei verbracht haben sollen.
Wir sehen, wie schnell Grünkohl und die erste Euphorie der Liebe vergehen können. Ernüchterung tritt schnell ein, spätestens am nächsten Morgen, wenn sich Schlipse in Briefkästen wiederfinden oder Berufspraktikantinnen in Anleiterbetten. Oder wenn angeblich seriöse Unternehmensberater dir in einem Autobahnhotel in aller besudelten Pracht im Hotelbadezimmer gegenüberstehen und fragen: „War das nicht ein schöner Abend gestern, Michaele?“ Hier hilft dann nur noch, um einen promovierten Spitzenberater nicht zu verletzen, zu sagen: „Ja, mein Lieber, es war schön – aber kann es sein, dass du meinen Vornamen nicht richtig wahrgenommen hast?“ Daraufhin Carsten-Olaf: „Termine und Namen hab‘ ich voll im Griff, da macht mit keiner was vor!“ Ich: „Ach so, dann bin ich wohl ab heute für dich Michaela?“ Er: „Nein, entschuldige Manuele, du bist und bleibst für mich Katharina, war doch nur ‚n Witz“ Ich: „Och“
Wie die Hormone so spielen. Normalerweise hätte ich ja nach diesen Grünkohlerlebnissen und nach diesen A1-Erlebnissen Schluss machen müssen mit Lustig. Welcher Hormonteufel mich dann geritten hat, auf das Angebot von Carsten-Olaf einzugehen, mit ihm für einige Tage an die Küste nach Duhnen zu entschwinden, weiß der Geier. Jedenfalls fanden wir uns dann gemeinsam nach einem kurzen Intermezzo des heimischen Kofferpackens und des Ausschlafens in heimischen Betten (er wahrscheinlich mit Michaela oder Manuela) in diesem Nobelhotel in Cuxhaven-Duhnen wieder. Hotel Strandperle. Küche 2 Sterne Michelin. Treffpunkt Alte Liebe Cuxhaven. Samstag 16:00 Uhr. Von dort mit dem Taxi nach Duhnen. Und sieh‘ an, typisch Unternehmensberater, typisch Manager: pünktlich und akkurat gekleidet, frischgegeelt die dunklen Haare nach hinten gestriegelt, stand er da: Carsten-Olaf Lüllmann, besser gesagt: Dr. Carsten-Olaf Lüllmann! Er begrüßte mich mit einem Strauß rosa Tankstellennelken und den schmeichelnden Worten: „Ach liebe Brigitte, es ist so schön, dass wir wieder zusammen sind!“ Ich : „Och, lieber Hans-Hermann, du weißt doch – wenn ich etwas zusage, dann halte ich das ein“ Er: „Hans-Hermann?“
Kapitel 2 erscheint am 07. Februar 2011
Kuck' mal da hinten, die großen Pötte
zu einem Kapitel 2 ist es leider nicht gekommen, weil Katharina Loewe in der Zwischenzeit Verhandlungen mit dem ZDF geführt hatte, wo sie nun ab 01.07.2011 Aspekte übernehmen wird.
26. März 2010
Adrian Quellhorst, Versagenstherapeut, Bremen, Ostertor
Seltene Vögel
Heute: Adrian Quellhorst, 46, Versagenstherapeut, Ostertorviertel
Das Gespräch mit Herrn Quellhorst führte unsere Sonderredakteurin Katharina Loewe
Katharina Loewe: Hallo Herr Quellhorst, ich begrüße Sie und muss Ihnen gleich am Anfang unseres Gespräches gestehen, dass ich ziemlich „viel Schiss“ vor diesem Gespräch habe, weil ich gar nicht weiß, ob ich es durchhalten werde, und was hinten dabei heraus kommen soll.
Adrian Quellhorst: Das erstaunt mich sehr. Sie machen ja auf den ersten Blick überhaupt nicht den Eindruck einer ängstlichen Schisserin. Das Gegenteil ist ja eher der Fall. Sie wirken prall und selbstbewusst, als könne Ihnen keiner ein X für ein U vormachen. Ich müsste mich eigentlich in diesem Falle als Versagensängstlicher outen, da ich bei der ersten Begegnung spontan den Eindruck hatte: die will dich fertig machen
Katharina Loewe: Aber Herr Quellhorst, ich bitte Sie. Das ist ja nun wirklich nicht mein Stil, meine Gesprächspartner fertig machen zu wollen. Deshalb auch meine erste Frage: Wie wird man als ehemaliger Bergführer ohne qualifizierten Schulabschluss Versagenstherapeut?
Adrian Quellhorst: Also wissen Sie! Ich weiß ja nicht woher Sie die Informationen bezüglich meiner Schulabschlüsse haben…
Katharina Loewe: … (unterbricht)… von Ihrer Mutter…
Adrian Quellhorst: …ja, ja von meiner Mutter! Da haben wir doch schon das beste Beispiel für die Gründe von Versagensängsten! Sie (gemeint sind hier die Mütter, Anm. der Redaktion)wollen immer, dass du als Held darstehst, dass du immer der Beste bist, mein Gott, wie habe ich darunter gelitten die ganze Zeit bis heute.
Katharina Loewe: Aber um noch einmal auf die Frage zurück zu kommen: wie war das denn nun mit dem Therapeuten? Wann haben Sie den Bergen ade gesagt, um nach Bremen zu kommen, um hier als Versagenstherapeut zu wirken?
Adrian Quellhorst: Liebe Frau Loewe, ich fühle mich bereits nach den ersten Wortwechseln mit Ihnen ziemlich mutlos, ich glaube, dass wir beide nichts Vernünftiges auf die Reihe bekommen werden. Diese Direktheit mir gegenüber, das war ich weder in meiner Bergführerzeit noch bin ich es gegenwärtig gewohnt, so konfrontativ angegangen zu werden als Führungsperson.
Katharina Loewe: Lieber Herr Quellhorst, das ist doch nun wirklich abwegig. Ich stelle doch keine konfrontativen Fragen. Wir müssen doch gemeinsam, um etwas zu Papier zu bekommen, in einen Frage-und Antwort-Dialog eintreten. Meine Frage ist doch eigentlich völlig unverfänglich: Wie wurden Sie Therapeut in Bremen? Haben Sie ein Studium absolviert? Haben Sie eine Eigenanalyse oder so etwas Ähnliches absolviert? Ganz einfache Fragen in einem ganz einfachen normalen Interview.
Adrian Quellhorst: Was glauben Sie denn eigentlich liebe Frau Loewe, wie viele Menschen darauf warten, mir und meinen Kolleginnen und Kollegen vom Verband der freischaffenden Versagenstherapeuten zu begegnen? Das sind Tausende, die gar nicht mehr wissen, wie es mit ihnen weiter gehen soll! Die sind zerfressen von der Angst, es nicht hin zu bekommen! Die sind zerstört von Selbstzweifeln, nicht geachtet zu werden. Und Sie stellen hier die Fragen danach. Was soll denn das?
Katharina Loewe: Lieber Herr Quellhorst, es geht doch im Wesentlichen gar nicht um Ihre, ich weiß nicht, wie ich sie benennen soll – sind es Patienten, oder Kunden, oder sind es Hilfesuchende? Es soll doch ausschließlich um Sie gehen, wer Sie sind, woher Sie kommen, was Sie gemacht haben, was Sie planen und so weiter.
Adrian Quellhorst: Papperlapapp, so können Sie doch an die Sache nicht heran gehen. Das ist doch voll unprofessionell, wie Sie das machen. Erst den Interviewpartner fertig machen und hinter her noch dumme Fragen stellen. Ne, meine Liebe, so schaffen Sie das nicht – so schaffen wir beide das nicht!
Katharina Loewe: Herr Quellhorst, mein letzter Versuch, Ihnen die Angst vor mir und meinen Fragen zu nehmen, eine Frage zu Ihren Kindheitserlebnissen:
Adrian Quellhorst: (unterbricht)…jetzt kommen Sie mir noch auf die Tour. Zuerst mein Schulversagen problematisieren und dann in meiner gestörten Kindheit herum wühlen, nee, nee, meine Liebe, so war das nicht verabredet. Ich bin hier schließlich der Therapeut, und nicht Sie!
Katharina Loewe: …eine Frage zu Ihren Kindheitserlebnissen: wo und wie haben Sie Ihre verbracht?
Adrian Quellhorst: das ist doch völlig egal, wo ich herkomme und wo und wie ich meine Kindheit verbracht habe. Ich bin Versagenstherapeut und kein Kindergeschichten-Erzähler.
Ich wohne jetzt im Viertel und habe von dort auch viele Klienten, die meine therapeutische Hilfe benötigen. Die Kindheit, das Leben, die berufliche Entwicklung des Therapeuten ist doch hier völlig unwichtig, der Klient mit seinen Hilfebedarfen steht im Mittelpunkt. Das sollten Sie doch endlich einmal respektieren liebe Frau Loewe.
Katharina Loewe: Gut Herr Quellhorst, dann eine Frage zu den Hauptursachen der Versagensängste in unserer Gesellschaft. Ist es die Überforderung am Arbeitsplatz, ist es der enorme Leistungsdruck, der überall zu beobachten ist, sind es persönliche, individuelle – möglicherweise genetische, vererbte Ursachen?
Adrian Quellhorst: Liebe Frau Loewe, das sind doch jetzt alles Ausweichfragen. Ich sehe Sie in einer prekären Situation. Sie haben Angst mit diesem Interview nicht klar zu kommen, Sie haben Angst zu versagen bei dieser Aufgabe und fragen jetzt in Ihrer ganzen desolaten psychischen Situation mal dies mal das. Ich kann Ihnen nur raten, dagegen einmal grundlegend etwas zu tun. Sie sollten sich einem Therapeuten oder einer Therapeutin hingeben, der oder die auf diesem Gebiet spezialisiert ist . Bei uns hier in Bremen gibt es eine ganze Reihe davon. Wenn Sie nicht unbedingt im Viertel behandelt werden möchten, dann haben Sie auch alle Möglichkeiten in anderen Stadtvierteln, zum Beispiel in der Bremer Neustadt.
Katharina Loewe: Noch eine Frage zum guten Schluss. Was kostet denn so eine therapeutische Stunde in etwa?
Adrian Quellhorst: Tut mir leid Frau Loewe, das hab‘ ich mir gedacht, dass Sie eigentlich überhaupt kein Interesse an meiner Person haben, sondern nur an diesen schnöden Fragen nach Mammon und Kapital interessiert sind. Das ist das Grundübel unserer Gesellschaft: nicht den Menschen sehen mit seinen Problemen und Handicaps – immer nur: was kostet das, welchen Ertrag habe ich davon, wie viel kommt dabei heraus? Nein, mit mir nicht. Meine Preise sind menschenrechtlich in Ordnung, sie sind umweltorientiert, dabei sozialgeprägt und nachhaltig in die Zukunft gerichtet. So bin ich!
Katharina Loewe: Herr Quellhorst, ich danke Ihnen für das Nichtgespräch.
Anmerkung: das Gespräch (Nichtgespräch) wurde von Herrn Quellhorst nicht autorisiert, wir drucken es trotzdem in F&U, weil wir glauben, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, was sich hinter den selbstgemachten Therapeutentürschildern verbirgt.
Dienstag 20.September 2011
ZURÜCK ZUR ZINKWANNE
Wir haben heute noch einmal das herrliche Buch von Martin Perscheid "Wenn Deppen duschen" zu Rate gezogen. Es will uns in unserer neuen Duschkabine einfach nicht gelingen, trocken zu duschen. Trocken soll meinen: ohne dass Wasser aus der Innenkabine nach aussen in den sonstigen Bereich des neuen Badezimmers dringt. Bei jedem von uns Duschern, egal ob Kaltduscher, Warmduscher oder Dauerduscher, sieht das Umfeld der Duschkabine nach dem Duschen aus wie eine Mecklenburger Seenplatte. Am schlimmsten ist es immer bei Armin, der sportlich duscht - nämlich voller Massagestrahl. Bei ihm besteht die Gefahr, dass es reinschwappt ins Wohnzimmer. Ja, so fragen wir uns, sind wir denn allesamt zu blöd, umweltfreundlich und trotzdem hygienisch rein zu duschen? Auch die beiden von der Innungskammer des Klempnerhandwerks geschickten Experten heute, die sich die Sache angeschaut haben, konnten nur feststellen, dass wir alle Fünf hier in der F&U-Redaktion wohl zu blöd zum Duschen sind. Wir sollten das lieber nachlassen und stattdessen zur guten alten Zinkwanne zurückkehren. Dabei gaben sie uns noch den Tipp mit auf den Weg: erst Haar, Kopf, Hals und Ohren. Dann Oberkörper und Rücken. Zum Schluß Genitalbereich und Füße. Also Zinkswannenwaschen ähnlich wie Duschen.
Uli Pelz